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Das war eine schöne Reise

Das war eine schöne Reise

Titel: Das war eine schöne Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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noch...«
    »Halt mal die Klappe, Gustav! Also, was ich euch erzählen wollte: wenn man in unserem Schülerzug zwei Fenster und eine Abteiltür auf eine ganz bestimmte Weise öffnete, und man spuckte vom Abortfenster ‘raus, dann sauste die Spucke kreuz und quer durch den halben Zug und traf einen Fahrgast, der vor dem zweiten Gangfenster stand, mitten auf den Schlips...«
    »Was soll der Quatsch, Emil?«
    »Moment mal, ich glaube, ich hab’ unsern Emil. Er meint nämlich, daß jemand in unserem Zug die Börse zum Fenster ‘rausgeworfen hat, und daß der Luftzug sie in unser Abteil beförderte...«
    »Genau, Karl! Und wenn du mit deinem intelligenten Gesicht nicht im Wege gestanden hättest, dann wäre das Ding durch unser Abteil gesaust und irgendwo im Gang gelandet.«
    Der Dicke starrte nachdenklich auf die Geldbörse, ein Täschchen mit einem Faltfach fürs Kleingeld und mehreren Laschenfächern für die Scheine: »Ich kann mir nicht helfen«, murmelte er, »aber irgend etwas stinkt an der Geschichte...«
    »Wie meinst du das, Karl?«
    »Ich meine, daß jemand die Börse loswerden wollte, nachdem er sie ausgesäckelt hat...«
    »Versteh ich nicht...«
    »Stellt euch doch nicht so vernagelt an — weil er sie irgendwo geklaut hat!«
    »Der reine Kommissar Maigret, unser Karl...«
    Der Page Erich erschien in der Tür und fragte, ob er den Herren beim Aufbau der Liegebänke behilflich sein dürfte.
    »Sag einmal, mein Junge«, fragte der Dicke, »weißt du zufällig, ob einer der Reisenden sein Portemonnaie vermißt?«
    »Haben Sie nichts von dem Wirbel gehört, den es kurz vor der Abfahrt des Zuges in Innsbruck gegeben hat? Einer unserer Fahrgäste, ein älterer Herr, hat seine Börse mit dem ganzen Reisegeld verloren. Sie kann ihm natürlich auch gestohlen worden sein...«
    »Wie heißt der Verlierer?«
    »Es handelt sich um einen Herrn Schnürchen im Abteil sechs.«
    »H S...!« sagte der Dicke, »ich fresse einen Besen mitsamt der Kehrichtschaufel, wenn das nicht sein Portemonnaie ist.«
    »Haben Sie das Ding gefunden?«
    »So ungefähr. Und jetzt möchte ich, daß du diesen Herrn Schnürchen herbeischaffst.«
    »Das Abteil, in dem er schläft, ist bereits dunkel...«
    »Ich kann mir nicht vorstellen, daß der Mann schläft. Ich würde jedenfalls nicht schlafen, wenn man mir die Reisekasse geklaut hätte. Also — versuch’s einmal!«
    Herr Schnürchen schlief tatsächlich nicht, aber daran war wohl nicht der Verlust seines Geldes allein schuld. Unter ihm wälzte sich Frau Lobedanz mit >nervösen Füßen< von einer Seite zur anderen. Auf der anderen Bank schnarchte Frau Pütterich laut dahin und stieß die Atemluft in kurzen Pfeiftönen aus. Fräulein Sonntag hatte schon dreimal an ihrem Kopfkeil gerüttelt, ohne damit außer gereizten Knurrtönen den geringsten Erfolg zu erzielen. Sie war drauf und dran, den Rest der Nacht im Gang zu verbringen. Als der Page die Tür vorsichtig öffnete, Herrn Schnürchens Namen flüsterte und ihn bat, wegen einer wichtigen Angelegenheit für einen Moment auf den Gang hinauszukommen, kletterte sie mit Herrn Schnürchen zugleich von ihrem Lager herab, schlüpfte in ihre Sandaletten und folgte ihm auf den Gang hinaus.
    »Was gibt es denn Wichtiges, junger Mann?« fragte Herr Schnürchen den Pagen.
    »Ich glaube, einer von den Herren im dritten Abteil hat Ihre Geldtasche gefunden...«
    Fräulein Sonntag hörte es und stieß einen kleinen Überraschungsschrei aus: »Ach, Herr Schnürchen, was wäre ich für Sie froh, wenn das wahr wäre!«
    »An so viel Glück wage ich gar nicht zu glauben«, murmelte er unsicher.
    »Darf ich mit Ihnen gehen, Herr Schnürchen?«
    »Selbstverständlich, Fräulein Sonntag, und wenn es wirklich wahr ist, feiern wir in Rimini ein Fest.«
    Die Herren im dritten Abteil machten die Sache so spannend, daß Fräulein Sonntag davon überzeugt war, sie hätten die Tasche mitsamt ihrem unversehrten Inhalt gefunden. Sie ließen sie sich genau beschreiben und nickten bedeutungsvoll, als Herr Schnürchen erwähnte, daß seine Initialen H und S in Goldbuchstaben in das dunkelbraune Leder gepreßt gewesen wären.
    »Es ist Ihre Geldtasche, Herr Schnürchen«, sagte der Dicke und brachte sie hinter dem Rücken zum Vorschein, »leider ist sie leer. Und es wird Sie auch nicht trösten, zu hören, daß der Kerl, der sie Ihnen geklaut hat, im Zuge sein muß.« Und er erzählte Herrn Schnürchen haargenau, auf welch sonderbare Weise ihm die Tasche buchstäblich

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