Das war eine schöne Reise
mir, bitte, die Telefonnummer Ihres Albergo.«
»Nein, lieber Alvensleben, geben Sie mir telegrafisch Bescheid, und zwar postlagernd, ferma in posta centrale. Danke, ich hänge dann ein.«
Herr Schnürchen verließ die Kabine und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Die Luft in der engen, stickigen Zelle hatte ihn sein Herz spüren lassen. Er schluckte eine winzige Tablette trocken hinunter, ehe er an den Schalter ging, wo er für das kurze Gespräch die beträchtliche Summe von rund viertausend Lire zu zahlen hatte. Nach einer kurzen Besichtigung der Porta Romana, des Triumphbogens des Augustus aus dem Jahre 27 vor Christi Geburt, der die dreißig Jahre gut überstanden hatte, seit Herr Schnürchen ihn zum letztenmal gesehen, ließ er sich von einem Taxi zur Piazza Tripoli fahren, wo er ausstieg und auf der Schattenseite des Corso gemächlich zur Villa Annabella zurückschlenderte. Der Betrieb auf dem Corso war lebhaft, da die Badegäste vom Strand zu ihren Hotels und Pensionen zurückströmten.
Auf halbem Wege wurde er aus einer der zahllosen Gelaterien, die am Rande der Promenade lagen, angerufen und entdeckte Fräulein Sonntag und Herrn von Berg, die an einem der kleinen Gartentische vor üppigen Eisbechern saßen.
»Kommen Sie, Herr Schnürchen«, rief ihm Fräulein Sonntag zu, »wir haben bis zum Essen noch eine gute halbe Stunde Zeit, und Herr von Berg ist in Spendierlaune und will Sie durchaus zu einem Eisbecher einladen.«
Herr von Berg oder Vonberg —Herr Schnürchen war sich durchaus nicht sicher, ob sich Herr Körber nicht doch geirrt hatte — sah gar nicht so spendabel und einladungsfreudig aus, wie Fräulein Sonntag es hingestellt hatte, aber er machte gute Miene zum bösen Spiel und rückte einen Stuhl an den kleinen runden Tisch heran.
»Danke, lieber Baron, aber ich stehe schon zu tief in Ihrer Schuld, um auch noch diese Einladung annehmen zu können. Und außerdem würde mein Magen streiken. Aber ich werde mir einen Aperitif bestellen«, und er winkte den Cameriere heran und ließ sich einen Vermouth kommen.
»Ich dachte, Sie hätten sich niedergelegt...«
»Hatte ich, verehrter Baron, aber ich weiß nicht, ob die italienischen Fliegen besonders lästig sind, jedenfalls zog ich es vor, ein wenig zu den alten Erinnerungen zu bummeln.«
»Ach, Herr Schnürchen«, sagte der junge Mann ein wenig nervös, »lassen Sie doch den Baron aus dem Spiel, dieser Titel steht mir nicht zu. Wir Bergs sind ganz schlichter Beamtenadel vom Urgroßvater her...«
»Ach, schade, ich glaubte, eine alte Bekanntschaft auffrischen zu können, die mich vor langen Jahren mit dem Baron Waldemar von Berg verband, auf dessen rheinischem Besitz ich die angenehmsten Stunden verlebt habe. Er war ein Musikfreund und selber hochmusikalisch...«
»Nein, nein, nein, wenn dieser Baron von Berg irgend etwas mit meiner Familie zu tun hätte, dann wüßte ich es. Aber da gibt es keine Verbindung. Meine Familie saß immer im Osten, in der Gegend von Posen...«
»Dann wollen wir es gut sein lassen«, sagte Herr Schnürchen und nippte an seinem Glase. Er wandte sich an Fräulein Sonntag: »Was macht unsere kleine Gesellschaft?«
»Sie ist wohl noch am Strande. Herr von Berg war so nett, mich zur Apotheke zu begleiten...«
»Ja, Fräulein Sonntag hatte das Pech, sich auf dem Floß einen Splitter tief in die Fußsohle zu reißen...«
»Oh, da sollten Sie aber vorsichtig sein, Fräulein Sonntag, solche Verletzungen können böse Folgen haben.«
»Keine Sorge, Herr Schnürchen, ich bin nicht nur gegen Typhus, Pocken und Polio geimpft worden, sondern auch gegen Tetanus. Mein Vater ist nämlich Oberlehrer, und seit einer seiner Buben durch eine lächerliche kleine Verletzung während eines Schulausflugs vierzehn Tage später an Tetanus starb, ist er der reine Impffanatiker geworden.«
»Sie haben einen sehr gescheiten Vater...«
»Ja...«, murmelte Fräulein Sonntag etwas zögernd.
Herr von Berg aus der Linie der Posenschen Familie von Berg warf einen Blick auf seine Armbanduhr und winkte den Ober herbei, um zu zahlen. Er wollte es nicht zulassen, daß Herr Schnürchen nach seiner Geldtasche griff, aber Herr Schnürchen ließ es sich nicht nehmen, seine kleine Rechnung selber zu begleichen. Er legte die kleine braune Geldtasche, die auf so seltsame Weise wieder zu ihm zurückgekehrt war, vor sich neben das Vermouthglas auf den Tisch, wartete, bis Herr von Berg, der mit einem 10 000-Lire-Schein zahlte, sein Wechselgeld
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