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Das war eine schöne Reise

Das war eine schöne Reise

Titel: Das war eine schöne Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Pütterich mit der »Würde und Zurückhaltung des Marschalls« wiederholte, wobei sie den Tonfall von Frau Pütterich genau traf, erreichte die Heiterkeit am Tisch noch einmal einen Höhepunkt, aber dann begannen Wärme und Essen und nicht zuletzt der Wein zu wirken und man zog sich zur Mittagsruhe auf die Zimmer zurück. Otto Lobedanz hoffte, Fräulein Sonntag würde eine Verabredung für den Nachmittag vorschlagen, aber nichts dergleichen geschah, und schließlich war es beim allgemeinen Aufbruch Herr von Berg, der Fräulein Sonntags Tasche aufnahm und sie zu ihrem Zimmer im ersten Stockwerk begleitete, wo Fräulein Sonntag auf Nr. 11 in der Mitte des langen Traktes logierte, während sein Zimmer ganz am Ende der Galerie lag. Herr Schnürchen stützte sich leicht auf den Arm von Otto Lobedanz, als sie die letzte Wendung der Treppe zu ihrem Doppelzimmer emporstiegen.
    »Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht«, sagte er, »aber ich muß gestehen, daß ich diese Reise mit einigen Besorgnissen antrat. Oder ist Ihnen der Gedanke, bei der Zusammensetzung der Reisegefährten einem Würfelspiel ausgeliefert zu sein, völlig gleichgültig gewesen?«
    »Natürlich nicht — man hätte mit sehr unangenehmen Zeitgenossen zusammengeführt werden können. Zum Beispiel sechsen von der Sorte von Frau Pütterich...«
    »Das wäre allerdings ein bißchen zuviel des Guten. Doch lassen Sie nur unsere Witwe Pütterich. Sie ist das Salz in der Suppe. Oder wollten Sie sie etwa missen? Na, sehen Sie! Aber ich dachte im Augenblick auch gar nicht so sehr an mich und an uns ältere Leute...«
    »An wen dann?«
    »An Sie zum Beispiel, lieber Herr Lobedanz! Sie müssen doch das Gefühl haben, bei diesem Würfelspiel eine Sechs auf den Tisch gelegt zu haben. Oder können Sie sich eine noch nettere und hübschere Reisebekanntschaft als unser Fräulein Sonntag denken?«
    »Ach, Herr Schnürchen«, murmelte Otto Lobedanz und öffnete dem alten Herrn die Tür, »das müßten Sie doch eigentlich gemerkt haben, daß ich bei dieser Konkurrenz bei Fräulein Sonntag nichts zu bestellen habe.«
    »Das verstehe ich nun wirklich nicht — wobei ich zugeben möchte, daß ihr jungen Leute mir eine ganze Menge unlösbarer Rätsel aufgebt...«
    »Ach, wissen Sie, Herr Schnürchen, ich will ja gar nicht davon reden, daß Herr von Berg eben ein Herr von ist, aber auch das mag manchen Leuten imponieren, zum Beispiel meiner Mutter. Wenn die von einer Fürstenhochzeit liest, in der Zeitung oder in einer Illustrierten, dann ist sie ganz weg...«
    »Nun ja, Ihre Mutter gehört ja auch zur älteren Generation, zu der Fräulein Sonntag aber nun ganz gewiß nicht zu rechnen ist.«
    »Zugegeben — aber so ein Mann hat eben das Auftreten, das unsereiner nicht hat, weil er es von Hause nicht mitbekam. Ich geriete in die tödlichste Verlegenheit, wenn ich zum Beispiel Austern oder Artischocken essen sollte...«
    »Das müßte man bei Herrn von Berg eigentlich einmal ausprobieren... «, murmelte Herr Schnürchen und begann sich für die Siesta zu entkleiden.
    »Was meinten Sie, Herr Schnürchen?«
    »Oh, nichts von Bedeutung«, antwortete der alte Herr und schlüpfte unter die leichte Decke, wo er sich seiner Wäsche entledigte; »aber sind das Ihre ganzen Hemmungen?«
    »Sie sollten den Mann am Strand sehen, Herr Schnürchen!« seufzte Otto Lobedanz.
    »Und das imponiert Ihnen?« fragte Herr Schnürchen gähnend.
    »Mir nicht«, antwortete Otto Lobedanz und ging zum Waschbecken hinüber, um sich die Zähne zu putzen, »aber es scheint Fräulein Sonntag zu imponieren.«
    »Das glaube ich nicht«, sagte Herr Schnürchen und drehte sich auf die rechte Seite, »lassen Sie nur Ihre Stunde kommen, lieber Freund, in dem Heftchen von Fräulein Sonntag sind noch viele Kreuzworträtsel zu lösen. Wie hieß doch gleich der Sohn von Hektor und Andromache?«
    »Astyanax...«, seufzte Otto Lobedanz.
    »Warum stöhnen Sie? Dazu haben Sie doch gar keinen Grund. Denn wenn es auf Muskeln und auf Körperkraft ankäme, dann wären Odyssee und Zauberflöte und Faust nicht von Menschen, sondern von Büffeln geschaffen worden.«
    Obwohl der Trost des alten Herrn ziemlich dünn war, tat er Otto Lobedanz doch wohl, und er schlief, kaum, daß er sich auf sein Bett gestreckt hatte, rasch ein. In wirren Träumen stand er schwitzend unter den Jupiterlampen auf der Bühne der Bollesäle, aber der Quizmaster war nicht Peter Paulsen, sondern Herr von Berg, und er blamierte Otto Lobedanz vor einem

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