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Das war eine schöne Reise

Das war eine schöne Reise

Titel: Das war eine schöne Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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schließlich wissen, wie ein Mann aussieht, wenn er sozusagen unrasiert ist. Und außerdem: was heißt schon Drogist und was heißt Optiker? Weiß man dann, ob die beiden daheim nicht durch die Röhre auf den Mond guckten? Aber beide haben gutgehende Geschäfte in der Innenstadt. Wirklich, die Mädchen haben in den Glückstopf gegriffen.«
    »Und Ihr Lehrer?« fragte er und wurde die Trockenheit im Halse nicht los.
    »Was heißt hier: mein Lehrer?« sagte Fräulein Sonntag etwas ungnädig, »es war nicht mein Lehrer, sondern ein Lehrer!«
    »Also schön, dann eben der Lehrer...«
    »Ach, er war soweit ganz passabel — aber ein Lehrer in der Familie langt mir vollauf. Und außerdem...«, sie kicherte plötzlich in sich hinein...
    »Nun, was war denn außerdem, Fräulein Sonntag?«
    »Er konnte es nicht vertragen, wenn man ihm nicht genau nach der Grammatik antwortete. Daran war schon seine erste Verlobung in die Brüche gegangen. Als er sein Mädchen fragte, ob sie ihn heiraten wolle, und sie darauf nur ja sagte, pfiff er sie an, ob sie denn nicht mit einem vollständigen deutschen Satz antworten könne, mit Hauptwort, mit Tätigkeitswort und Beziehungswort...«
    »Das kann doch nicht wahr sein...!«
    »Und ob das wahr ist! Wenn mein Vater meine Schwester oder mich fragte, ob wir noch ein Stück Kuchen haben wollten, und man antwortete nicht: >Ja, ich möchte noch ein Stück Kuchen haben<, dann kriegte man keinen. — Sollte ich mir das noch einmal antun? Aber wir stehen hier und reden und reden, als ob der Tag achtundvierzig Stunden hätte...«
    Tatsächlich hatte sich das ganze Gespräch am Fuß der Wendeltreppe abgespielt. Ein Lauscher hinter den grünen Holzjalousien der ebenerdigen Räume oder auf der ersten Galerie hätte jedes Wort mitbekommen. Otto Lobedanz warf einen erschreckten Blick auf das Zimmer seiner Mutter, das keine fünf Schritte entfernt lag...
    »Keine Sorge«, sagte Fräulein Sonntag, »außer Frau Pütterich ist kein Mensch daheim. Sie scheint ein bißchen zuviel Asti erwischt zu haben und schnarcht, daß es bis auf die Galerie zu hören ist.«
    »Und meine Mutter?«
    »Ihre Mutter habe ich in Gesellschaft von Herrn Schnürchen vor zehn Minuten getroffen, als ich vom Strande kam. Ich meine, daß er sie zu einer anständigen Tasse Kaffee eingeladen hat. So etwas gibt es hier nämlich auch, und für eine gute Tasse Kaffee scheint Ihre Mutter ja eine Schwäche zu haben. Ich übrigens auch...«
    »Unser gutes Schnürchen!«
    »Ja, und er war es auch, der mir den Wink gab, Sie aus dem Bett zu trommeln. Heimlich natürlich, denn Ihre Mutter scheint ja etwas gegen mich zu haben...«
    »Ach, Fräulein Sonntag«, sagte er mit einem schweren Seufzer, »die hat nichts gegen Sie persönlich oder vielmehr, die hätte nichts gegen Sie, wenn Sie...« Er stotterte plötzlich furchtbar.
    »Na, was denn, was denn?«
    »... wenn Sie nicht so hübsch und so gescheit und überhaupt so wären, wie Sie sind!« Er war furchtbar verlegen und wagte sie nicht anzusehen, sonst hätte er bemerkt, daß auch Fräulein Sonntag in diesem Augenblick einiges von ihrer forschen Selbstsicherheit eingebüßt hatte. Aber sie fing sich rasch und ebnete das kleine Loch, das sie mit der Spitze ihrer Sandalette in den Kies gebohrt hatte, mit einer energischen Bewegung wieder ein.
    »Sie dürfen mich zu einer Orangeade einladen, Herr Lobedanz«, sagte sie munter und nahm seinen Arm, als ob sie alte Freunde wären, und zog ihn über den Kiesplatz vor der Pergola und durch den Schwibbogen, der die Villa Annabella mit dem Rückgebäude verband, auf die Straße. Er hatte das Gefühl, in einen kleinen Wirbelwind geraten zu sein, der ihn durchblies und lüftete und seine Haut prickeln ließ.
    »Aber übernehmen Sie die Führung, Fräulein Sonntag, ich kenne mich hier nicht aus.«
    »Ich bin schon dabei«, sagte sie und schwenkte in eine Straße ein, die von der breiten Platanenallee links abzweigte, »ich kenne da ein kleines nettes Lokal am Hafen, man sitzt über dem Wasser, und sieht die Segelboote aus- und einlaufen, und manchmal auch eines von den großen Motorschiffen, die zwischen Triest und Ancona verkehren...«
    Das Lokal lag tatsächlich, so wie sie es ihm beschrieben hatte, mit einem auf Pfahlrosten erbauten Teil über dem Wasser, und man konnte, wenn ein Motorboot vorbeibrauste, die Wellen unter dem abgeschliffenen Tanzboden gegen die Pfähle schlagen hören. Eine Drei-Mann-Kapelle spielte zum Tanz auf, und ein halbes Dutzend Paare

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