Das waren schöne Zeiten
einen Seitenarm des Hafens mit dem Netz hinauf und brachten siebzig Flundern ins Lager zurück. Für Fischliebhaber war es ein wahres Schlemmerland. Für solche, die das nicht zu schätzen wußten, gab es immer noch eine Fleischkonserve aus Mrs. Gibbons’ Laden.
Vor ein paar Jahren besuchte ich zusammen mit einer Freundin wieder einmal nach langer Zeit Te Maika. Es hatte sich so verändert, daß ich den Besuch schon fast bereute. Die langen Reihen von Sommerhäusern am Strand mißfielen mir, und der Anblick des einen, das gerade dort, wo ehemals die Kochhütte stand, errichtet war, ärgerte mich sogar. Mrs. Gibbons’ Haus und der alte Kramladen waren verschwunden, weil sie schließlich doch nach Kawhia umgesiedelt war. Unten am Kai gab es nun eine neue, moderne Lebensmittelhandlung, mit einem Schild darüber, auf dem >Postamt< stand. Airini Woodhouse kam der Einfall, dort ein Telegramm an ihren Mann in South Canterbury zu schicken. Ich wollte nicht so recht, weil ich nicht das geringste Verlangen hatte, in diesen neumodischen Laden zu gehen, wo vermutlich alles wunderbar übersichtlich geordnet war; nicht so wie damals, als man nur in den Karton mit der Aufschrift >Babyschuhe< zu schauen brauchte, wenn man Fischhaken suchte.
Viel zu viele Erinnerungen verbanden mich mit dem alten Kramladen, den ich so gut gekannt hatte und wo ich mich meistens selbst hinter der Theke bediente. Einmal hatte ich sogar eine erlebnisreiche Woche lang Mrs. Gibbons vertreten, als sie aus irgendeinem Grund plötzlich in die Stadt mußte. Noch oft denke ich an all die Abenteuer, welche ich mit den vorsintflutlichen Poststempeln erlebte, mit denen ich triumphierend, wenn auch etwas ungenau die Briefe mit dem Datum 1874 versah. Selbst wenn Mrs. Gibbons persönlich ihren Dienst versah, herrschte immer ein reizvolles Durcheinander, und es ereigneten sich viele lustige Episoden mit diesen Datumstempeln. Während einer ihrer Auseinandersetzungen mit den Behörden hörte ich sie einmal ziemlich ärgerlich sagen: »Ich habe nicht das geringste Interesse an eurem blöden Postamt. Es ist für mich weiter nichts als eine Plage, und wenn ihr euch wegen solcher Dummheiten wie Daten aufregt, dann könnt ihr es selber machen!« Ein andermal: »Jetzt habe ich endgültig die Nase voll von eurem Postamt. Ich habe alles in einen Kerosinkanister gepackt und es an den Strand gestellt. Dort könnt ihr es euch holen, wann immer ihr wollt.« Natürlich mußten sie von ihrem hohen Roß steigen, denn die Maoris im Inneren des Landes waren auf dieses Postamt angewiesen, und es gab niemanden sonst, der es übernehmen konnte.
Nun würde das alles ganz anders sein, und ich hatte keine Lust, es mir anzusehen. Doch Airini drängte: »Wir haben so oft gelesen, was du über Te Maika geschrieben hast. Jetzt, wo ich einmal hier bin, muß ich ein Telegramm schicken!« Schließlich folgte ich ihr lustlos in den Laden hinein. Sie bat höflich: »Ich möchte bitte ein Telegramm schicken.« Ich sah sofort, daß sie damit unter den Maoris, die dort auf umgedrehten Kisten und Säcken gemütlich schwatzend herumsaßen, eine kleine Sensation auslöste. Das freundliche, hilfsbereite Mädchen hinter dem Schalter sah sie verblüfft an. »Es tut mir leid, aber ich fürchte, es wird vorerst noch nicht abgeschickt werden können. Macht das etwas?«
»Nein, überhaupt nicht! Aber warum kann man es nicht gleich abschicken?«
»Es ist nur, weil die Leitungsdrähte zu tief gelegt sind auf der Kawhia-Seite. Sie laufen am Strand entlang, und wenn die Flut hoch ist, dann liegen sie unter Wasser. Da kann man dann nur auf die Ebbe warten«, erklärte sie verlegen.
»Das muß aber oft schwierig sein«, meinte Airini. »Was tut ihr denn, wenn jemand krank wird? Wie kann dann ein Arzt verständigt werden?«
»Wir warten auf die Ebbe«, antwortete sie entschuldigend.
Mich ritt der Teufel, und ich warf die Frage hin: »Und wenn man im Sterben liegt?« Von einem hinter mir auf einer Kiste sitzenden Maori kam die gelassene Antwort: »Dann stirbt man eben.«
Ich ging getröstet weg. Te Maika hatte sich letzten Endes doch nicht so sehr verändert.
Drei Jahre, nachdem wir die Whakamaru-Farm übernommen hatten und unser Sohn zehn und unsere älteste Tochter zwölf war, kam wieder die Schwester meines Mannes, uns zu besuchen. Die Familie, so sah es aus, machte sich Sorgen wegen der Kinder. Gingen sie wirklich in diese fürchterliche kleine Schule dort am Straßenrand? Der Anblick einer barfüßigen
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