Das waren schöne Zeiten
Eigenschaften entwickelte. Trotzdem stellte Jezebel eine enorme Verbesserung gegenüber unserer alten Zweiradkutsche dar. Es war wundervoll, verhältnismäßig trocken nach Hause zu kommen; denn was machten ein loser Seitenvorhang oder ein leckes Dach schon aus? Geradezu luxuriös empfanden wir es, daß wir nun nicht mehr müde Pferde diese letzten zwei Meilen, bevor wir unsere Abzweigung erreichten, hinauftreiben mußten. Gewiß, auch Jezebel reagierte launisch auf dieser Straße. Um die Wahrheit zu gestehen, sie brachte uns nur selten direkt nach Hause. Meistens begann sie zu schlottern, dann zu kochen, worauf sie unvermeidlich eine halbe Meile vor der Abzweigung endgültig ihren Geist aufgab. Aber daran gewöhnten wir uns schnell, so daß wir sie gelassen bis zum anderen Morgen neben der Straße parkten, die notwendigsten Einkäufe herausnahmen und nach Hause trotteten. Nach zwölf Stunden Rast war Jezebel meist durchaus bereit, die Reise zu beenden.
Einmal spielte sie mir allerdings einen recht bösartigen Streich, und es war mir kein Trost, daß ich allein daran schuld war. So wie es ihre Art war, blieb sie vor einer Steigung stehen, weshalb ich ausstieg und ihre Kühlerhaube Öffnete, um sie auskühlen zu lassen. Die Handbremse nahm die Gelegenheit wahr, sich zu lösen, und der Wagen begann zurückzurollen. Ich sah schon fünfundzwanzig Pfund über eine hohe Böschung verschwinden, weshalb ich etwas unbedacht vorsprang, um hineinzuklettern und die Fußbremse in Gang zu setzen. Aber Jezebel stieß mich um und kam ausgerechnet auf meinem Bein zu stehen. Wenigstens hatte ich sie vor der absoluten Vernichtung gerettet. Aber es war ein großes Opfer. Ich verbrachte eine höchst schmerzhafte Stunde unter diesem Rad, während meine armen Kinder in alle Himmelsrichtungen auseinanderstoben, um Hilfe zu holen. Eines rannte ins Haus, fand es jedoch leer, ein anderes in das Schulgebäude, wo es den Lehrer mit dem verzweifelten Aufheulen von der Tür her alarmierte: »Mutter ist unter dem Wagen!«
Der erschrockene Lehrer kam in vollem Galopp angerannt und stand einen Moment wie erstarrt da. Dann machte er sich energisch ans Werk, das Rad mit einem Wagenheber hochzuhieven, aber die Erde war so weich, daß der Wagenheber einsank und mit ihm das Rad — zum zweiten Male auf mein Bein. Zu guter Letzt aber befreite er mich irgendwie, und ein hilfsbereiter Nachbar zog am anderen Morgen Jezebel hinauf, die äußerst vernünftig an einem Baum gehalten hatte, sobald mein Bein, das ihr bis dahin als Bremsklotz diente, sie nicht mehr zurückhielt. Dem nachgiebigen Erdreich verdankte ich es, daß mein Bein nicht gebrochen war; aber eine ziemlich ekelhafte Fleischwunde war mir nicht erspart geblieben. Jedenfalls hatten weder Jezebel noch ich einen dauernden Schaden erlitten.
Ich hatte also die Kinder mit Jezebel nach Cambridge gebracht, als sie nach Gisborne gingen, und fuhr, wie ich schon berichtete, todunglücklich nach Hause. Zu den ersten Ferien kamen sie natürlich zurück, und das war wahrscheinlich ein Fehler gewesen. Sie fühlten sich kreuzunglücklich, als sie wieder nach Gisborne fahren mußten, um so mehr, da sie in verschiedenen Häusern wohnten. Stuart bekam so unerträgliches Heimweh, daß ich eiligst hinfuhr und ihn heimholte. Besser keine sogenannte Zivilisation als Heimweh! Jenny blieb noch ein weiteres Jahr dort. Sie war älter und außerdem mehr geneigt, materielle Dinge zu schätzen.
Im übrigen fühlte sie sich wohl in der Gesellschaft ihrer Vettern und Basen. Es hatte gewiß nicht an den Tanten gelegen, daß die Kinder sich dort nicht wohl fühlten. Sie waren eben an ein ganz anderes Leben gewöhnt, waren viel zu abhängig von ihren Geschwistern und den Eltern, um ohne Schaden von einander getrennt zu werden.
Trotzdem stand es fest, daß die Trennung bald kommen mußte. Doch als es soweit war, kam sie in einer anderen Form.
Ein außerordentlicher und völlig unerwarteter Glücksfall kam uns zu Hilfe. Wie so viele unserer Freunde, die ebenfalls unter den schweren Zeiten litten, machten wir uns seit langem Sorgen, was aus der Ausbildung unserer Kinder werden sollte. Dann kam die Nachricht, daß eine alte Freundin, die sowohl meiner Mutter wie meinem Großvater sehr nahegestanden hatte, ein Testament zugunsten unserer Kinder gemacht hatte, mit dem Wunsch, daß jedes von ihnen die Ausbildung erhalten sollte, welche es wünschte.
Hier lag nun für uns die bestmöglichste Lösung unseres Problems: Die Kinder nicht
Weitere Kostenlose Bücher