Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das waren schöne Zeiten

Das waren schöne Zeiten

Titel: Das waren schöne Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Scott
Vom Netzwerk:
konnte. Heute würde eine Frau mittleren Alters weder mit einem solchen Dasein zufrieden sein noch wäre es richtig, das von ihr zu erwarten.
    Aber wir hatten Freunde und Nachbarn, mit denen wir unsere bescheidenen Vergnügungen teilten. Von diesen blieb Dermot immer noch unsere unfehlbarste Quelle des Amüsements, obwohl seine Streiche wahrlich oft zu weit gingen. Es war während des schlimmsten Jahres der Wirtschaftskrise, als Dermot eines Tages zu den Pferderennen ging, gewann und beschloß, sich Ferien zu gönnen. Das überraschte niemanden, weil er seit einiger Zeit an der Straße gearbeitet hatte und sein Naturell so beschaffen war, daß er es nirgends zu lange aushielt. Worüber wir uns aber wirklich Gedanken machten, war, ob er das Geld haben würde, wieder heimzufahren. Wie Walter meinte, würde all das Geld in einer Woche weg sein, und da Dermot es haßte, zu Fuß zu gehen, fragten wir uns, wie er die hundertfünfzig Meilen von der Stadt wohl zurücklegen würde.
    Entgegen, allen Befürchtungen kehrte er frischfröhlich zurück. Ein paar Tage später berichtete er uns, wie er es fertiggebracht hatte. Es war zweifellos eine abscheuliche Geschichte, um so abscheulicher, da er sie ohne die kleinsten Gewissensbisse erzählte.
    »Ja, ich war pleite und wollte nach Hause, aber so, daß ich nicht dafür zahlen mußte. Und da treffe ich doch George! Wir waren immer dicke Freunde, müssen Sie wissen, und ich freute mich ehrlich, seine olle, häßliche Visage wieder einmal zu sehen; obwohl er ja immer todernst wie eine Eule ist. Wirklich, in dem Burschen steckt nicht ein Fünkchen Spaß! Ja nu, da nahm er doch meine Hand und schüttelte sie, und in seinen Augen standen fast Tränen. >Dermot< sagte er, >willst du etwas für mich tun? Du bist mein ältester Freund und es ist ein großes Glück, daß ich ausgerechnet dich heute treffe.< Dann kam die Geschichte heraus. Er sollte am nächsten Tag heiraten, aber sein Trauzeuge lag mit Masern im Bett. Ob ich für ihn einspringen wollte?«
    »Haben Sie es denn getan?« fragte ich, nicht ganz begreifend, was das mit seinem Fahrgeld zu tun haben konnte.
    »Na, klar. Das ist doch der Witz! Sie wissen, wie wild der alte Bursche immer darauf ist, die Kirche zu unterstützen und all so was? Er hat genug Geld, um sich seine Hobbys leisten zu können. Nun, er gab mir fünf Pfund und bat mich, den Pfarrer zu bezahlen, der den Job übernommen hatte.«
    Ein fürchterlicher Verdacht stieg in mir auf, und ich flüsterte: »Oh, Dermot, Sie haben doch nicht etwa...?«
    Er lachte aus tiefstem Herzen. »Na, so schauen Sie doch nicht so erschrocken drein! Freilich zahlte ich den Pfarrer. Aber wofür sollte der wohl fünf Pfund haben sollen? Zwei Pfund sind reichlich für den Job — und die anderen drei waren wirklich und wahrhaftig ein Geschenk des Himmels für mich.«
    »Nur zwei Pfund, und das für George, der als Säule der Kirchengemeinde gilt? Oh, das ist aber doch wirklich abscheulich von Ihnen!«
    »Nu mal langsam mit den jungen Pferden! Schön, ich geb ja zu, daß der Pfarrer ein bißchen überrascht dreinsah, weil er halt weiß, daß George in Geld schwimmt. Es hat mir wirklich leid getan, daß er so enttäuscht war. Aber ich machte es wieder gut. >Tut mir leid, Sir<, sagte ich zu ihm, >daß der alte Bursche ein bißchen geizig ist. Doch ich bin sicher, er wird es schon auf eine andere Weise in Ordnung bringen. Mit der Wirtschaftskrise und so, muß er schon dauernd in die Taschen greifen, um seinen Freunden zu helfen.« Das ist in gewisser Hinsicht auch die Wahrheit, wenn George auch nicht wußte, daß er mir mal gerade aushalf!« Dermot schüttelte sich vor unterdrücktem Gelächter. »So habe ich also meine Heimfahrt bezahlt und hier bin ich«, verkündete er strahlend.
    Am anderen Tag schon arbeitete er wieder mit Pickel und Schaufel an der Straße und amüsierte alle mit seiner Geschichte von dem betrügerischen Trauzeugen.
    Zugegeben, Dermot wußte nicht, was Skrupel sind; aber er hatte dennoch seine guten Seiten. Er war einer der weichherzigsten Menschen. Ein Fremder in Schwierigkeiten, ein Freund im Unglück, ein Kind, das Trost brauchte — keiner davon würde sich jemals vergeblich an ihn gewandt haben, und seine Hilfe nahm immer eine praktische Form an. Schon möglich, daß das Geld, welches er verschenkte, nicht weniger unehrlich erworben war wie die Heiratsgebühr des armen George; aber Dermot gab es jedenfalls von Herzen, wenn er damit helfen konnte. So hatte er

Weitere Kostenlose Bücher