Das waren schöne Zeiten
Entfernung war nun nichts dagegen zu machen, außer mich in einem Brief zu entschuldigen, auf den ich zur gegebenen Zeit folgende Antwort erhielt: >Machen Sie sich keine Sorgen mehr wegen des fehlenden Artikels. Wir fanden einen im Archiv, den Sie vor achtzehn Jahren schrieben, und veröffentlichten ihn. Niemand scheint einen Unterschied in Ihrem Stil entdeckt zu haben.<
Wenn ich auch einige merkwürdige Begegnungen hatte und manch vertracktes Ansinnen an mich gestellt wurde — wie zum Beispiel: >Könnten Sie mir einen Rat geben, wohin ich einen pornographischen Roman schicken soll?< — so habe ich andererseits meiner Tätigkeit einige Freundschaften zu verdanken, die für immer bestehen werden. Eine der besten davon ist die mit Airini Woodhouse von Blue Cliffs in South Canterbury. Unser erster Kontakt kam bald nachdem die erste Sammlung meiner Kurzgeschichten veröffentlicht worden war. Sie schrieb mir, um mir von einem Kompliment zu berichten, das Mr. Guthrie-Smith meiner kleinen Geschichte »Elizabeth geht zur Schule« gemacht hatte. Ich antwortete, wie sehr mich ein Lob von dieser Seite freute; dennoch sah ich damals nicht die Freundschaft voraus, welche aus diesem Briefwechsel entstehen sollte.
Ich glaube, auch Airini sah nichts dergleichen voraus, und ich bin sicher, sie war ein ganz klein wenig nervös, als sie mir den Vorschlag eines Zusammentreffens anläßlich ihrer Reise nach dem Norden machte. Es ist immer eine vertrackte Sache, den Verfasser von Büchern, die einem gefallen haben, persönlich kennenzulernen. Bücher, wie Airini sich sagte, waren so oft viel netter als ihre Autoren. Ich dachte ebenso, denn auch Briefe sind häufig ganz anders als ihre Schreiber. Klugerweise hatte sie es so arrangiert, daß ihr mehrere Möglichkeiten eines Rückzuges offenblieben, falls sie ihn wünschte. Aber sie machte keinen Gebrauch davon. Im Gegenteil, sie blieb noch einen Tag länger, und seit damals haben wir immer versucht, uns einmal im Jahr zu treffen, wenn sie mit dem Flugzeug nach dem Norden kommt. Auf diese Weise verbrachten wir wirklich erfreuliche Tage miteinander. Manchmal machten wir mit meinem Wagen eine Tour, übernachteten hin und wieder in möglichen und unmöglichen Hotels, plauderten, lachten und kritisierten gegenseitig unsere Arbeiten. Sie liest jeden meiner Romane, bevor er veröffentlicht wird, und nimmt sich stets die Zeit, ihn sorgfältig durchzusehen und mich auf Fehler aufmerksam zu machen. Wir haben manchen Scherz geteilt, vieles einander anvertraut, waren an den kuriosesten Plätzen gewesen und haben die komischsten Dinge miteinander erlebt. All das sind Gaben gewesen, die ich meinen Büchern verdanke.
1949 traf meinen Bruder ein großes Unglück, das einen starken Einfluß auf unser Leben ausüben sollte. Seine Frau starb ganz unerwartet, und nun lebte er allein in seinem großen, leeren Haus in Perth. Er hatte sich vor einigen Jahren von seinem Lehrstuhl der Geologie an der Universität zurückgezogen und gehofft, sich mit seiner Frau eines glücklichen Lebensabends zu erfreuen. Doch ein zweites Mal hatte das Schicksal zugeschlagen. Es traf ihn um so härter, weil er ein alter Mann war.
Seine Söhne lebten an den verschiedensten Ecken der Welt; ihm war wirklich nichts geblieben außer seinen Freunden und den Gewohnheiten vieler Jahre, die ihn an Perth banden. Ich bat ihn herzlich in meinem Brief, zu uns zu kommen und uns hier für eine Weile zu besuchen, doch er war nicht leicht zu überreden. Er hatte so lange in Australien gelebt, daß es seine Heimat geworden war. Zudem lag ihm nichts daran, die Erinnerungen an sein erstes Unglück, das ihm in Neuseeland widerfahren war, aufleben zu lassen. Bindungen, die einmal so eng gewesen waren, hatten sich im Laufe der Jahre gelockert. Es würde eine große Anstrengung für ihn bedeuten, die er nicht gewillt war, auf sich zu nehmen.
Daß ich ihn schließlich doch noch überreden konnte, gelang mir nur, weil ich ihm versprach, mit ihm für einen langen Besuch nach Australien zurückzukehren, wenn er zuerst zu uns kommen würde. Ich holte ihn in Auckland ab. Während ich zusah, wie die Passagiere aus dem Flugzeug stiegen, wunderte ich mich, ob ich ihn wiedererkennen würde. Was sollte ich zu diesem Fremden sagen, der einst einmal ein so vertrauter Freund gewesen war? Sehr bald wußten wir beide, daß alles gut war. Das alte Band bestand noch; wir mochten die gleichen Leute, lachten über dieselben Dinge. Aber ob ihm wohl das Leben in unserer
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