Das waren schöne Zeiten
Einsamkeit gefallen würde? Ihm, einem Professor, der sich so viele Jahre, wie ich ihm zu seinem Ärger sagte, in solch erhabenen intellektuellen Kreisen bewegt hatte?
Wieder hatte ich mich getäuscht. Wir verbrachten ideale vier Monate zusammen. Er und Walter hatten schon damals, bei seinem ersten Besuch, eine feste Freundschaft begründet, die nun erneuert und noch enger geschlossen wurde. Er besuchte unsere Schwester in Ohope, meine verheirateten Kinder und die Mulgans in Wellington. Als er in den Busch und zu uns zurückkam, sagte er plötzlich: »Wißt ihr, das ist eigentlich die Art Leben, wie sie mir paßt. Hier könnte ich mich wohl fühlen.« Es war keine Frage, daß auch wir nur zu froh gewesen wären, wenn er sich dazu hätte entschließen können, für immer bei uns zu bleiben; aber wir wagten nicht, ihn zu drängen. Es war eine viel zu schwerwiegende Veränderung, ein völlig anderes Leben. Wir beratschlagten darüber, und er bestand darauf, daß ich mein Versprechen, ihn zurück nach Australien zu begleiten, einlösen sollte. Dann wollte er an Ort und Stelle seinen Entschluß fassen.
Wir flogen nach Melbourne und verbrachten dort mit gastfreundlichen Freunden meines ältesten Neffen, Stuart Clarke, eine Woche. Dann unternahm Stuart mit uns eine interessante Fahrt in das Hinterland Victorias, wo wir in einem zauberhaften kleinen Gasthof — man konnte es kein Hotel nennen — abstiegen, in der Mitte von nirgendwo. Wir trafen dort spät in der Nacht ein und waren nicht wenig verblüfft, von Feldmarschall Montgomery empfangen zu werden. Nie zuvor und nie später sah ich eine derart unglaubliche Ähnlichkeit! Kein Wunder, daß wir uns ein wenig überwältigt fühlten, als der große Mann sich herabließ, uns einen Sherry einzuschenken.
Die Woche in Melbourne bleibt mir unvergeßlich, schon allein in der Erinnerung an diese großzügige Gastfreundschaft von Menschen, die ich nie zuvor gesehen hatte. Danach flogen wir nach Perth weiter, ein langer, ermüdender Flug, der durch die Aussicht auf das, was uns dort erwarten sollte, noch anstrengender wurde.
Eine Anzahl von Freunden meines Bruders holten uns am Flughafen ab, in der Hoffnung, daß ein so herzlicher Empfang die Heimkehr in ein leeres Haus weniger schmerzlich machen würde. Trotz ihres guten Willens war es ein recht anstrengendes Erlebnis für uns beide, und ich war kaum überrascht, als mein Bruder schon nach drei Tagen erklärte: »Komm mit in die Stadt; ich will meine Angelegenheiten hier ordnen. Ich gehe hier weg und kehre mit dir nach Neuseeland zurück.« Ich fühlte mich verpflichtet ihn zu bitten, noch ein paar Wochen abzuwarten, bevor er seine endgültige Entscheidung traf. »Alle deine Freunde sind hier. Du wirst sie sehr vermissen. Sie und alles, woran du gewöhnt bist — eure Gespräche über wissenschaftliche Themen, das ganze intellektuelle Leben...«, gab ich zu bedenken.
Mein Bruder, dessen Sprache keineswegs immer die eines Professors war, brachte deutlich und unmißverständlich zum Ausdruck, was er von einem intellektuellen Leben hielt.
Er blieb bei seinem Entschluß. Nun begannen die Vorbereitungen zu seiner Umsiedlung. Dennoch blieb uns Zeit, noch ziemlich viel von Australien zu sehen. Wir fuhren nach Kalgoorlie und blieben einige Tage dort, um mit einem anderen Neffen von mir eine Weile zusammenzusein. Auf mich wirkte alles sehr neu und fremdartig: diese langen, geraden Landstraßen, ohne eine einzige Kurve oder Biegung, soweit das Auge blicken konnte; die behelfsmäßigen Häuser, in denen selbst die Wohlhabenden wohnen müssen; die elenden Hütten, in denen immer noch Arbeitsscheue hausen und darauf warten, daß sie eines Tages irgendwie ihr Glück machen werden; die Geisterstädte, welche aus ein paar Häusern und einem großen Friedhof bestehen, die aus einer Zeit dort übriggeblieben waren, da man hier Gold gefunden hatte.
Für jemanden, der aus einem wasserreichen Land kam, war es überaus seltsam, fast die ganze Strecke an riesigen Wasserleitungsrohren entlangzufahren. Das Problem wurde mir so richtig klar, als ich das Schildchen im Hotelbadezimmer las: >Dieses Wasser wird über dreihundert Meilen für Ihren Gebrauch hierhergeleitet. Verschwenden Sie es nicht!< Von da ab gestattete ich mir nur noch sehr sparsame Bäder.
Wir reisten auch nach dem Süden, in das Land der hohen Baumstämme. Das war eine besonders schöne Fahrt, auf der ich eine ganz andere Seite Australiens kennenlernte. Wir wohnten bei Freunden, die
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