Das Washington-Dekret: Thriller (German Edition)
Videobilder standen sich gegenüber. Tatsächlich konnte man im Hintergrund des Films der Überwachungskamera ahnen, wie Marvin Gallegos mit seiner Kamera auf Zehenspitzen stand. Und dann fielen gleichzeitig die Schüsse und die Menge warf sich zu Boden. Und plötzlich lag bei der einen Aufzeichnung die Kamera auf dem Boden, während bei der anderen Bud Curtis hereinkam. Er zuckte zusammen, und da hielt T. die Filme an.
»Einverstanden, dass Curtis in dieser Sekunde das Wasserglas aus der Hand fällt? Wenn da überhaupt etwas war. Du hast gesehen, wie er zusammengezuckt ist, und jetzt steht er da mit geöffneter Hand.«
Falso faltete die Hände vor dem Bauch. Er wartete nur auf den Anruf von unten und wäre im selben Moment weg, das war nicht zu übersehen. »Gut, einverstanden.«
»Okay, Bill, dann schau dir das untere Bild an – das vonder Kamera, die am Boden liegt. Wir gehen die Aufnahmen einzeln durch. Eins, zwei, drei und Peng! Was ist da passiert?«
»Da kommt dein grauer Fleck.«
»Haargenau. Und warum? Weil Bud Curtis das Glas runterfiel, da, wo er auf der anderen Aufnahme die Hand öffnet, genau wie er es gesagt hat, und ein Wassertropfen fliegt auf das Objektiv. Er läuft ein Stück herunter, hört dann auf. Das ist nur ein kleiner Tropfen, Bill, aber das ist – und jetzt möchte ich am liebsten wieder fluchen – genug, um sich ernsthaft zu überlegen, ob Bud Curtis’ Aussage nicht doch richtig war.«
Bill Pagelow Falso sagte nichts, wischte sich nur die Nase ab. Er hatte eindeutig gut aufgepasst. Im Laufe seines Lebens hatte er bergeweise Gerichtsurteile gelesen und kannte sich mit der gängigen Rechtspraxis besser aus als die meisten. Wie viele Berufungen waren über seinen Schreibtisch gewandert! Und nun lag ihm eine Berufung vor, die sich weder aus technischen noch aus ethischen Erwägungen heraus ohne Weiteres zurückweisen ließ. Ganz eindeutig. Die Frage war nur, ob Falso das auch so sah.
T. lehnte sich über den Tisch und legte die Hand auf Falsos Arm. »Ich weiß nicht, warum Ben Kane es nicht auf seine Kappe nehmen will, O’Neill erschossen zu haben, Bill. Ich kann es nicht erklären, das gebe ich zu. Vielleicht hat er genug anderes, was besser nicht ans Licht kommen sollte. Jedenfalls glaube ich, dass Ben Kane das Wasserglas aufhob, nachdem Bud Curtis es fallen ließ. Warum sollte es angesichts der vielen Menschen auf dem Boden nicht weich gelandet sein? Und falls das so war, dann hat er es genommen und in die Hosentasche gesteckt und weggeschafft. Wenn du mich fragst.«
Falso befreite seinen Arm aus T.s Griff. »Warum konnte er dann nicht auch den Revolver in der Hosentasche haben?«
T. zögerte. »Jetzt, wo du es sagst – vielleicht hatte er das auch!«
»Ja, das oder etwas anderes oder nichts von allem. Jedenfalls musst du nun plötzlich womöglich doch Sunderland von den Verdächtigungen freisprechen, nicht wahr?«
T. seufzte. »Die letzten Tage waren lang und anstrengend, Bill. Früher oder später wirst du auf deine Fragen gescheite Antworten bekommen. Aber den Wassertropfen kannst du doch auch nicht wegerklären, oder?«
Falso nickte. »Wenn du mit all dem hier recht hast, warum gehst du dann nicht zum Staatsanwalt?«
»Wir haben keine Zeit, Bill. Du hast ja keine Ahnung, wie lange im Moment alles dauert.«
Falso seufzte so tief, wie es zu seinem voluminösen Leib passte. »Und ob, T. Und dass sich da ein übler Morast ausbreitet, das weiß ich besser als jeder andere. Aber du kennst die Gesetze und du kennst meine Aufgabe. Du musst das hier ordnungsgemäß machen.«
»Dann verschaff mir Zeit. Schieb die Hinrichtung einen Tag hinaus oder zwei.«
»Das kann ich doch nicht. Mit welcher Begründung denn?«
»Ich weiß es nicht. Na ja, alles, was ich dir eben erklärt habe. Reicht nicht die Aussicht auf einen fatalen Justizirrtum? Bill, dreh was bei Curtis’ ärztlicher Untersuchung, das würde uns etwas Zeit geben.«
Falsos müdes Lachen sprach Bände. »Es ist schon eine Weile her, dass man die Gefangenen noch von einem Arzt hat untersuchen lassen. Jetzt werden sie einfach hingerichtet, direkt von der Zelle in die Todeskammer. Die letzte Mahlzeit bekommen sie in ihrer Zelle, der Pastor setzt sich auf die Pritsche, auf der sie jahrelang geschlafen haben. Wir überspringen mal die Stunden in der Todeszelle. Kurzer Prozess, mehr nicht. Nur so können wir der Situation noch Herr werden, verstehst du?«
T. wischte sich die Stirn ab. »Bill. Wie oft hast du mit ansehen
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