Das Washington-Dekret: Thriller (German Edition)
Wesleys weitere Karriere eine Belastung. Wesley wusste doch, wie es in Washington zuging: Nichts währte ewig. Man würde jederzeit auf jede Menge Goodwill, eine makellos weiße Weste im Beruflichen und auf ein absolut vorzeigbares Privatleben angewiesen sein. Spätestens wenn Bruce Jansens Amtszeiten abgelaufen waren, würde ein neuer Mann auf Wesleys Stuhl sitzen. Aber wenn er seinen Job mit Bravour machte, hätte er für später ausgesorgt. Darum war es das Klügste, jetzt erst einmal abzuwarten. Abzuwarten und Doggie zu helfen, wenn es ihm möglich war, und zu ignorieren, wie seidig ihr Haar schimmerte und wie verführerisch ihre Lippen glänzten.
Nachdem Wesley das Willard Hotel passiert hatte, erhob sich vor ihm das Kapitol. Er sah auf die Uhr. In zwanzig Minuten musste er zum morgendlichen Briefing im Oval Office sein – er war spät dran. Er schaffte es gerade noch, die Mails und die Titelseite der ›Washington Post‹ mit letzten Neuigkeiten zum Heckenschützen in New York, dem sogennanten »Dachmörder«, zu überfliegen.
Im Oval Office stieß Wesley auf die üblichen vier Mitarbeiter und amüsierte sich im Stillen einmal mehr über den politisch korrekten Bevölkerungsquerschnitt, den sie repräsentierten – wenn man davon absah, dass es ausschließlich Männer waren. Kommunikationschef Lance Burton war schwarz wie die Nacht. Er konnte seinen Stammbaum bis zu den ersten Sklaven Anfang des siebzehnten Jahrhunderts zurückverfolgen. Donald Beglaubter hatte polnisch-jüdische Vorfahren, Präsident Jansen war skandinavischer Herkunft mit einem Schuss irischen Bluts, und Wesley selbst hatte eine italienische Mutter, einen schottischen Vater und einen indianisch klingenden Nachnamen. Woher Sunderlands Familie stammte, wusste er nicht, aber die Runde war auch so schon bunt genug.
Sunderland und Burton hatten wie üblich jeder ein Sofa besetzt,Burtons Assistent Donald Beglaubter saß kerzengerade auf einem der neu bezogenen Ledersessel. Am Schreibtisch thronte, den Rücken den Fenstern zugewandt und die Unterarme auf der Tischkante abgelegt, der Präsident. So saß er immer da, um alle wichtigen Punkte des Gesprächs direkt in seinen Laptop eingeben zu können. Die letzten vierzehn Tage waren so turbulent gewesen, dass die neue Sekretärin des Präsidenten noch kein einziges Mal hereingerufen worden war, um Protokoll zu führen. Jansen schien das nur recht zu sein.
Wesley setzte sich neben Donald Beglaubter. Laut Tagesordnung sollten sie über die Änderung einiger Steuergesetze und die bevorstehende Schulreformdebatte reden, also nichts Aufregendes. Wesley reckte sich und lächelte beim Gedanken an den Kaffee, der gleich serviert würde.
Präsident Jansen legte seine Lesebrille ab und nickte ihnen allen zu. »Guten Morgen, die Herren. Kleine Programmänderung, wenn Sie erlauben.« Er lächelte angestrengt und nur sehr kurz. »Wie Sie wissen, wird in vier Tagen der Prozess gegen Bud Curtis eröffnet, und wir müssen in dem Zusammenhang mit erhöhtem Druck auch auf uns rechnen. Die Staatsanwaltschaft hat diverse Augenzeugen einberufen, darunter drei aus diesem Kreis: Wesley, Thomas und mich. Wir werden gleich am ersten Prozesstag aussagen. Aber wir können wohl davon ausgehen, dass die Verhandlung sich über mehrere Wochen hinziehen wird. Die Beweislast gegen Curtis soll zwar erdrückend sein, doch man kann nie wissen. Die Staatsanwaltschaft hat versprochen, uns eine Abschrift der Klage zukommen zu lassen, ich habe aber noch nichts gesehen. Thomas?«
Sunderland richtete sich auf und zog einige Blätter aus einer Klarsichthülle. »Vor einer halben Stunde ist dieses Fax gekommen. Soweit ich das beurteilen kann, ist die Indizienlage eindeutig. Alles weist darauf hin, dass Bud Curtis den geistig beschränkten Toby O’Neill manipuliert hat, den Mord zu begehen. Außerdem gibt es Beweise dafür, dassCurtis O’Neill eine größere Geldsumme überwiesen hat.« Er blätterte in den Papieren. »Hier: Zehn Tage vor dem Attentat wurden von einem Liechtensteiner Konto, das einer von Bud Curtis’ Gesellschaften gehört, zwanzigtausend Dollar auf Toby O’Neills Konto bei der Community Bank in der Nevan Road in Virginia Beach überwiesen.« Er reichte Jansen das entsprechende Blatt. »So etwas war vorher noch nie vorgekommen. Toby O’Neills Gehalt wurde ihm – wie auch dem restlichen Personal – immer in bar ausgezahlt. Darüber hinaus hat sich der Verdacht bestätigt, dass die Mordwaffe auf Bud Curtis zugelassen
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