Das Washington-Dekret: Thriller (German Edition)
Sicherheitsleute wandten sich dem Aufzug zu, der bereits am weitesten unten war. Die Türen öffneten sich und entließen einen Schwarm finster dreinblickender Männer. Zwischen sich eingeklemmt schoben sie eine Gestalt vorwärts. Bugatti ignorierte die Anweisungen der Sicherheitskräfte und erhob sich, konnte aber das Gesicht des Mannes nicht erkennen. Mittlerweile hatte die Gruppe den Eingang erreicht, und mehrere Männer in dunklen Anzügen kamen ihr entgegen. Draußen brach ein Blitzlichtgewitter los, mindestens zweihundert Vertreter der Presse und zahlreiche Anwohner von Virginia Beach hatten in Erwartung der neuesten Untersuchungsergebnisse ausgeharrt.
Der nächste Aufzug brachte Thomas Sunderland und seine engsten Mitarbeiter in die Lobby, der folgende Wesley Barefoot, Doggie Rogers und mehrere andere bekannte Mitarbeiter aus Jansens Stab. Alle wirkten äußerst bedrückt, und Doggie war kreidebleich.
Bugatti folgte dem Strom zum Eingangsbereich, wo die Sicherheitsleute standen.
»Bleiben Sie hier, bis wir mit dem Verhafteten durchgekommen sind«, kommandierte der große Leibwächter mit den Armketten, während die Leute rings um ihn durcheinanderschrien. Andere Sicherheitsbeamte in Schwarz und Grau öffneten die Türen und führten den Verhafteten zwischen sich hinaus in den Schneesturm, wo die Fragen der wartenden Journalisten auf ihn einprasselten.
In diesem Moment hörte Bugatti durch das Stimmengewirr, wie Doggie etwas rief. Er packte seinen Nebenmann am Ärmel, einen von denen, die mit dem Aufzug heruntergekommen waren. »Was ist denn passiert?«, wollte er von ihm wissen.
»Sie haben einen Mann verhaftet, der verdächtigt wird, hinter dem Mord zu stehen!«, antwortete der.
Bugatti fluchte. Nur zehn Minuten früher, und er hätte die ganze Geschichte in einer landesweiten Übertragung dabeigehabt. Dafür würde er noch was zu hören bekommen.
Nun schlossen sich die Türen wieder, und es wurde ruhiger.
»Wen haben sie denn festgenommen, weißt du das?«, fragte er den Nebenmann, einen von Doggie Rogers’ Kollegen.
»Den Hoteldirektor, Bud Curtis!« Als er sah, wie sich Bugattis Miene veränderte, nickte er. »Ganz genau. Doggies Vater.«
4
Drei Monate später (Februar)
Wesley ging am FBI-Gebäude vorbei, die Ledermappe an sich gedrückt, und betrachtete den Verkehr und die vielen Menschen auf der Pennsylvania Avenue. Im Großen und Ganzen war er mit seinem Leben zufrieden. Der Präsident hatte ihn zu seinem Sprecher gemacht – viel weiter konnte man es in Wesleys Alter kaum bringen.
Gut zwei Wochen nach Bruce Jansens Vereidigung hatte Wesley sich bereits an den Verkehrslärm und die vielen Menschen auf Washingtons Straßen gewöhnt. Seine luxuriöse Wohnung am Market Square lag so nah beim Weißen Haus, dass er seinen Arbeitsplatz zu Fuß in einer Viertelstunde erreichte; trotzdem stand ihm jederzeit ein privater Chauffeur zur Verfügung. Er war einer der gefragtesten Junggesellen in der Stadt, und die Presse betete den neuen, jungen Sprecher des Weißen Hauses an. Er führte ein privilegiertes Leben, und er genoss es. Alles war fast genau so, wie er es sich immer erträumt hatte.
Doch bei genauem Hinhören konnte man Misstöne wahrnehmen, das Zischen der Schlange im Paradies. Hinter den geschlossenen Türen des Weißen Hauses hatte sich eine Atmosphäre ausgebreitet, die ihn beunruhigte und die mit jedem Tag beklemmender wurde. Auf seinem Weg ins Büro versuchte Wesley, die letzten Monate Revue passieren zu lassen.
Nach dem Attentat hatte sich Jansen wochenlang nicht in der Öffentlichkeit gezeigt. Manche sagten, er arbeite Tag und Nacht, andere, er versinke in seiner Trauer. Als die Spekulationenüber seinen Gemütszustand immer wilder wurden, hatte der designierte Vizepräsident Lerner, nicht unbedingt für ein besonders inniges Verhältnis zu Jansen bekannt, das Volk beruhigt: Bruce Jansen gehe es den Umständen entsprechend gut. Dann endlich trat Senator Jansen selbst vor die Fernsehkameras. Er erklärte gefasst, er kämpfe Tag für Tag mit der Trauer und dem Schock. Gleichzeitig sei er aber auf einem guten Weg und habe vor, der beste Präsident in der Geschichte der USA zu werden. Das sagte er mit fester Stimme – und jetzt zweifelte keiner mehr daran, dass ihm das gelingen würde. Er war ein aufrechter Mann, eine echte Führernatur. Eine Ausnahmeerscheinung, wie geschaffen für das Amt des US-Präsidenten.
Wesleys Bewunderung für seinen Chef wuchs, und er war entschlossen, ihm
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