Das Washington-Dekret: Thriller (German Edition)
Namen zu nennen, ich spreche nur von der zuverlässigen Quelle in der Nähe des Präsidenten.«
Wesley schüttelte langsam den Kopf. Er wollte sich nicht interviewen lassen. Er konnte nicht. Weder wagte er es noch wollte er es, ganz einfach.
John sah Wesley die Enttäuschung über sich selbst an, aber er musste seinen Job machen. »Gibt es keinen anderen? Gibt es niemanden, der reden möchte? Du weißt, wie diskret ich bin. Es muss auch gar nicht sonderlich konkret sein. Ich möchte nur einfach gern die Situation, in der wir uns befinden, beleuchtet haben. Das muss doch möglich sein, bevor die Presse endgültig mit einem Maulkorb mundtot gemacht wird. Denn das wird doch früher oder später passieren, oder?«
Der Blick, den Wesley ihm zuwarf, sprach Bände. »Die reden wollen, wissen nichts. Und die etwas wissen, wollen nicht reden. Alle verhalten sich der Situation und dem Präsidenten gegenüber loyal. Alle! Sogar der Wirtschaftsminister, und der hat wahrhaftig Probleme mit den Kerlen aus der Hochfinanz, das kannst du aber glauben.«
»Und was ist mit Burton, dem Stabschef?«
»Ich habe keine Ahnung, was passiert ist, aber Lance Burton und Donald Beglaubter haben alle beide total dicht gemacht. Und zwar schon vor zwei Wochen.«
»Werden sie irgendwie unter Druck gesetzt?«
»In diesem Haus stehen alle unter Druck. Aber nein, warte, ich weiß, was du damit sagen willst. Ich weiß nicht, ob sie unter Druck gesetzt werden.«
»Verteidigungsminister Wayne Henderson?«
»Der ist Jansens Mann.«
»Vizepräsident Sunderland?«
Wesley schüttelte den Kopf. »Die sind alle hundert Prozent loyal. Sowohl der Stab als auch das Kabinett tun, was man ihnen sagt.«
»Aber es wird doch verdammt noch mal einen geben, der Jansen stürzen kann! So oft, wie er die Verfassung übergangen hat, ist das doch die einzig logische Konsequenz.«
Unvermittelt presste Wesley Bugatti die Hand auf den Mund. »Pssst!«, flüsterte er ihm direkt ins Ohr: »Wenn du herauszufinden versuchst, ob jemand Jansen stürzen kann, verlass das Land, solange es noch geht, klar? Wer weiß schon, ob die Grenzen morgen noch offen sind. Das ist mein guter Rat an dich. Du fragst zu viel und du weißt zu viel. Jetzt gehen wir in mein neues Büro und stecken unsere Chips an, und dann wirst du mich laut und deutlich zu irgendwelchen aktuellen Ereignissen befragen, klar? Vielleicht fällt dir ja was Gescheites ein und die Richtigen hören dich. Ich weiß nicht genau, wohin die Abhörbänder gelangen, aber hört der Richtige, worauf du eingehst und was du mich fragst, und stellst du die richtigen Fragen, kommen wir vielleicht etwas weiter. Nur bis auf Weiteres, John, musst du dich bei allem, was du sagst und tust, verdammt noch mal zusammenreißen. Und wenn du nachher gehst, überleg dir genau, was du willst. Pass auf dich auf.«
16
Rosalie Lee nahm den Telefonhörer ab und bekam endlich ein Freizeichen. Das war in letzter Zeit nicht mehr selbstverständlich, und in den vergangenen beiden Stunden hatte es kein Durchkommen gegeben. Manche Leute behaupteten, das habe mit der FEMA und irgendeinem Executive Order 10995 zu tun. Angeblich wollte man nach einigen blutigen Zusammenstößen zwischen Milizen und Behörden sämtliche Telefonverbindungen kontrollieren, und in Rosalies Ohren klang das nicht unwahrscheinlich. Aber es konnte auch von der Gegenseite ausgehen: Mehrere Piratensender hatten am Vortag mitgeteilt, dass Moonie Quales engster Vertrauter in Akron, Ohio, festgesetzt und sein gesamtes Gefolge auf offener Straße erschossen worden sei. Gerüchte gab es genug. Heute Morgen hieß es, eine kleine Milizgruppe aus Englewood Cliffs auf der anderen Seite des Hudson habe damit gedroht, das New Yorker Telefonnetz zu sabotieren, wenn die Bevölkerung nicht über das Akron-Massaker, wie es bereits genannt wurde, informiert würde – und nun sah es ganz so aus, als hätten sie ihre Drohung wahr gemacht. Aber Rosalie war sich nicht sicher. Dieser Tage konnte man sich in nichts sicher sein.
Beim dritten Versuch erreichte sie endlich ihre Schwester. Josephine war schon fast sechzig, sie war inzwischen ein wenig exzentrisch und ging nicht immer ans Telefon. Seit vielen Jahren lebte sie allein in ihrem heruntergekommenen Häuschen in einem Kaff namens Five Forks, südwestlich von Richmond und nur wenige hundert Meter vom Pocahontas State Forest entfernt. Die Einsamkeit hatte ihre Spuren hinterlassen. Josephine Maddox sprach mit breitem Südstaatenakzent,
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