Das Washington-Dekret: Thriller (German Edition)
immer Miss B. und Tom Jumper auf den Fersen ist, wird höchstwahrscheinlich bald auch dich auf seiner Liste haben. Du musst damit rechnen, dass über kurz oder lang alle Fernsehsender dicht gemacht werden. In ein paar Tagen werden die Bildschirme schwarz bleiben, und ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass du untätig hier herumsitzt und damit haderst, dass du nichts tun kannst, nur weil ich dich zurückhalte. Verstehst du?«
Er fühle sich nicht von ihm zurückgehalten, wollte John sagen, doch Danny strich ihm nur über die Wange. Da schwieg er.
So also fühlte sich Abschied an.
Er brauchte über drei Stunden zum Washington Dulles International Airport. Auf dem Weg dorthin war er kilometerweit durch dunkle und menschenleere Straßen gefahren, vorbei an mit dicken Ketten gesicherten Restaurant- und Kinoeingängen. Soldaten beherrschten das Straßenbild. In einem Abstand von hundert Metern säumten sie mit ihren gepanzerten Fahrzeugen die gesamte Route zum internationalen Flughafen, die Maschinenpistolen schussbereit. Er fühlte sich an den Nordirlandkonflikt erinnert. Durch die akribischen Straßenkontrollen bildeten sich im Nu kilometerlange Staus. Als endlich das Terminal auftauchte, war klar, dass er seinen Flug nach Seattle um acht Uhr nicht mehr erreichen würde und damit auch nicht den Anschlussflug nach Anchorage.
Er parkte zwischen zwei Lieferwagen mit dem FEMA-Logo auf der Seite und ging mit seinem Koffer zum Check-in, wo bereits Hunderte anderer müder Passagiere Schlange standen. Er musste improvisieren und sich ein neues Flugziel einfallen lassen. North Dakota, Montana, Alaska, Idaho, was auch immer. Er stellte sich an dem Schalter mit der kürzesten Schlange an. Immer wieder sah er Danny vor sich, wie er am Fenster stand und ihm nachwinkte. Sie mussten sich einfach wiedersehen. Danny war gut versorgt, er würde eine Weile allein zurechtkommen, und wenn die Zeit gekommen war, würde er wieder da sein.
John nickte einem großen Mann vor sich in der Schlange zu. Er war wohl Anfang sechzig und hatte eine deutlich jüngere, attraktive Asiatin an seiner Seite. Die beiden sahen aus, als stünden sie schon die ganze Nacht hier an. Auf seinem KLM-Kofferanhänger stand »Peter de Boer« und daruntereine Adresse in Amsterdam. John trat einen Schritt zur Seite und betrachtete die Wartenden weiter vorne. Die sahen fast noch müder aus.
John war gespannt, in welchem Flugzeug er landen würde.
»Entschuldigen Sie bitte«, sprach der Holländer ihn an. »Sind Sie amerikanischer Staatsbürger?«
John kam gar nicht dazu, sich zu überlegen, ob er darauf antworten wollte.
»Wenn ja, dann stehen Sie am falschen Schalter an.« Er zeigte auf ein Schild zwei Meter weiter.
»Nur ausländische Staatsangehörige«, las er da.
John sah sich kurz um. An allen Ausgängen und Schaltern standen uniformierte, mit Maschinenpistolen bewaffnete Männer. In der ganzen riesigen Halle sprach keiner ein Wort mit dem anderen. Das Einzige, das man hörte, waren Schritte und rollende Koffer.
»Sie müssen da rüber«, sagte die Begleiterin des Holländers und zeigte auf den Nachbarschalter, vor dem unzählige Menschen schweigend anstanden. »Aber das wird Ihnen wohl auch nicht viel bringen«, fuhr sie fort. »Ich glaube nicht, dass Sie überhaupt abfliegen werden. Wir beobachteten das schon seit einiger Zeit. Wenn Sie sich da drüben anstellen, wird man Sie sicher nur irgendwann aus der Schlange ziehen und Ihnen alle möglichen Fragen stellen.«
Sie deutete auf eine Gruppe offiziell wirkender Männer, die einen Mann in ihre Mitte genommen hatten, der ängstlich seine Aktentasche an die Brust drückte.
Der Holländer raunte John zu: »Wir warten jetzt schon fast zwanzig Stunden, und in der Schlange nebenan ist seither keiner auch nur einen Schritt weitergekommen. Wir haben Glück, wenn wir überhaupt noch rauskommen. Die USA haben sämtliche Pforten geschlossen und sind meiner Meinung nach gerade dabei, den Schlüssel wegzuwerfen. Ich habe ja schon einiges erlebt, aber das hier stellt wirklich alles in den Schatten.«
19
Heute war Freitag. Drei Tage lang hatte der Gefängniswärter Pete Bukowski frei gehabt, und er hatte an nichts anderes denken können als an sein Gespräch mit Bud Curtis. Heute Abend musste er zurück in den Todestrakt. Heute musste er sich entscheiden, wie der Rest seines Lebens aussehen sollte.
Gestern beim Abendessen hatte er kein Wort gesprochen. Wenn er seiner Frau beim Kauen zusah, hatte er die zum
Weitere Kostenlose Bücher