Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)
Herzen hat, geht nicht auf die Universität, auch wenn er es sich leisten kann. Man kann da nichts lernen außer dem, was in der Geschichte der Menschheit passiert ist, und was in der Geschichte der Menschheit passiert ist, weiß man, wenn man in irgendeiner Stadt einmal um den nächsten Block läuft. Sagen wir also, ein Mensch kommt mit so etwas wie angeborenem Verstand auf die Welt und bewahrt sich ein wenig davon, während er an Zentimetern, Pfunden und Jahren wächst. Die Universität bringt ihm nichts, denn sie ist ein Zweig der Naturgeschichte des Todes. Die Gesellschaft aber sagt, dass ein Mensch ohne akademische Bildung, weil er das Spiel nicht voranbringt, als Unterer oder Knallcharge im Spiel herhalten muss: Zeitungsjunge, Hilfskellner, Tellerwäscher, Autowäscher, Hausmeister usw.
Das lässt man sich durch den Kopf gehen und spuckt drauf. Vor die Wahl gestellt, Englischprofessor oder Tellerwäscher zu werden, entscheidet man sich für den Tellerwäscher. Vielleicht nicht, um die Welt zu retten, aber um weniger kaputtzumachen. Ist die entsprechende Neigung da, behält man sich jedoch das Recht vor, Gedichte zu schreiben, nicht nach dem Lehrbuch , sondern ganz wie die ansteigende oder abnehmende Kraft in dir es zulässt, während du das kleine Leben deiner Wahl lebst. Wenn du Glück hast, entscheidest du dich vielleicht sogar fürs Hungern, denn auch das Tellerwaschen birgt den Tod.
Gestern flatterte mir eine ziemlich angesehene Literaturzeitschrift in den Briefkasten. Und sie enthielt einen langen Kommentar zu einem Englischlehrer, Dozenten und Lyriker, den alle Welt zu fürchten scheint und der offensichtlich sehr schlecht und ohne Herz schreibt. Er lässt sich mit großer Zähigkeit über nichts aus und wickelt seine Verse meist in Theorien von »organischer Materie« und in tote und hochtrabende Begriffe ein, die, wie seine Kunst, den Eindruck machen, als könnten sie etwas aussagen, wenn man lange genug daran kratzt. Aber auch Grillengezirp scheint etwas auszusagen, wenn man lange genug daran kratzt, und auch darüber lässt sich eine Menge Quatsch erzählen. Ich habe das Literaturmagazinchen jemandem geschenkt, der hier vorbeikam (zum Arschabwischen war das Papier zu hart), sonst könnte ich genauer daraus zitieren. Verzeihung. Aber in dem liebe- und angstvollen Artikel zu besagtem Englischlehrer, Dichter und Wissenschaftler stand, dass dieser liebe und sehr präsente Mann in einer Vorlesung mal sinngemäß gesagt hat:
»Jetzt, vielleicht, sind meine Sorgen
auch
die Euren.«
Das wurde als sehr tiefgründige und subtile Aussage gewertet, dabei ist es natürlich nur etwas Nachgeplappertes, das man an hundert Straßenecken schon gehört hat, und in diesem Fall ein fauler Witz. Seine Sorgen sind nicht meine Sorgen. Er hat sich gegen Ärger und fürs Sterben entschieden. Ich habe mich für Ärger und fürs Leben entschieden.
Doch die Situation ist typisch und ändert sich nicht. Den ganzen Artikel hindurch wurden dem Dichter unerhörte Einsichten bescheinigt, obwohl er seicht, platt und dröge daherlabert … langweiliges, unreines Zeug. Und er hat seine Anhänger, und der ganze Verein schreibt so ähnlich – glatt vorbei am LEBEN – und türmt tote Historie auf tote Historie, neue faule Tricks auf alte faule Tricks, neue miese Lügen auf alte miese Lügen … als gäbe es nicht schon genug Stumpfsinn und Hundedreck für die arme geschundene Seele.
Dazu kommen die üblichen Armleuchter aus dem Umfeld, die zum inneren Kreis gehören wollen, der unterdessen allen etwas vormacht, und das läuft auf eine tote Armleuchterlyrik hinaus, die andauernd von nichts, nichts, GAR NICHTS redet …
ich & meeley// //
chopsticks/7 –––*
&
es war da
ich war da ich &
gwatammurrrra wimmel #9/.
1/4///…/.
So einem Gedicht kann man einen unerhörten Durchblick nachsagen, weil sich fast alles da herauslesen lässt, was man rauslesen will, denn wer soll beweisen, dass es nicht drinsteckt? Hört auf eure Grillen. Ich habe nichts gegen neue Wege in der Kunst, aber ich lasse mich ungern von Leuten für dumm verkaufen, denen es an Schaffenskraft fehlt. Uns interessiert nur der reine Dreck und der Schrei der Kunst.
Durch unsere Zeit in den Knästen, den Irrenhäusern und Asylen wissen wir besser, wo die Sonne herkommt, als das Studium von Shakespeare, Keats und Shelley es uns lehren könnte … wir sind geheuert und gefeuert und im Stich
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