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Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Titel: Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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können sie nicht anders als in ihr die große Dame des Herzens und des Woandersseins zu sehen, und weil die Kritiker Angst haben vor intellektuellem Flitter und Lametta und geisterhaften Schatten (ohne Joe-Namath-Rasuren), vor G. K. Chesterton und George Bernard Shaw, dem alten Tolstoi, Gogol, Shakespeare und Proust, darum wagen sie nicht, das Widerwärtige und Offensichtliche herauszustellen, denn würden sie zugeben, dass es Müll ist, wäre der Bann gebrochen und die Funktionsstörung passé, und auch sie würden sonntagnachmittags mit der Masse zu den Knotts Berry Farms rausfahren oder sich Gedanken um den Super Bowl oder die Kloschüssel machen oder um den unangenehm riechenden Schweiß unter ihren Achseln.
    Es wird Jahrhunderte dauern, die Hepburns und die Kritiker aus dem Weg zu räumen, und das ist das Traurige daran, mehr als traurig: Unser Leben dauert nun mal nicht Jahrhunderte, und was uns umbringt, sind nicht die Nixons und die Hitlers, sondern die Intellektuellen, die Dichter, die Gelehrten, die Philosophen, die Professoren, die Liberalen, unsere sämtlichen Freunde – oder besser gesagt, eure Freunde.
    Mich hat die Unterhaltung von Männern im Knast schon immer mehr interessiert als die Gespräche von Männern an den Hochschulen; unter Gleisarbeitern habe ich mehr Mumm und Verstand und weniger Langeweile vorgefunden als bei denen, die für ein vierwöchiges Gastspiel in Vegas $ 400000 die Woche kassieren. Wie das kommt? Ich weiß es nicht. Da steigt wohl nicht mal Gott dahinter. Ich weiß nur, dass wir seit Jahrhunderten geleimt werden, seit jeher, selbst Jesus riecht schlecht, Plato riecht schlecht, und damit meine ich nicht, unter den Achseln.
    Unsere kleinen Momentaufnahmen machen, warten und abtreten – ich schätze, mehr können wir nicht tun.

Notizen eines Dirty Old Man
    L. A. Free Press, 22 . Februar – 1 . März 1974
    Jeden Abend um diese Zeit kommt der kleine Mann, der unter mir wohnt, von der Arbeit nach Hause und pfeift glücklich. Er kann nicht in seine Wohnung gehen und da pfeifen, er muss sich unten auf den Hof stellen zum Pfeifen, und alle Vögel zwitschern mit. Wenn ich eins nicht ausstehen kann, dann ist es das Glück eines Idioten, ein grundloses Glück.
    Der ganze Block hier ist voller Idioten. Ich komme nicht raus, ohne dass mich einer von ihnen belästigt. Heute Morgen erst wollte ich in meinen Wagen steigen, und da war der Hausmeister. »Ich wasche mein Auto«, erklärte er mir, und in der Tat wusch er sein Auto. »Mit warmem Wasser«, ergänzte er, »da geht der Dreck besser ab.« Er hat ein rundes englisches Gesicht und einen runden englischen Akzent. Und wenn Sie wissen wollen, was ein rundes englisches Gesicht ist, dann zeige ich Ihnen mal unseren Hausmeister.
    Und der Verwalter und seine Frau schleichen auch immer herum, schrubben und fegen, putzen, polieren und bringen in Schuss. Sie betrinken sich nie, gehen nie zum Pferderennen, brüllen sich nie an. Er geht zwar manchmal in seine Wohnung, aber sie streift ständig draußen rum, schnüffelt und äugt. »Sieht aus, als würd’s schön heute«, sagt sie meistens. Oder aber: »Heute kommt die Sonne anscheinend nicht raus.«
    »Nein«, antworte ich. »Anscheinend nicht.«
    Ich hatte eine ganz schlechte Woche. Die meiste Zeit hing ich auf dem Parkplatz von Safeway & Von herum und wartete darauf, dass Frauen aussteigen und ich an ihren Beinen hochsehen kann. Es ist eine ganz schlechte Woche. Immer mehr Frauen tragen Hosen. Ich sitze da also und lese Zeitung und sehe, wie eine Frau vorfährt. Ich bin in idealer Position, auf der Seite, wo sie aussteigt, und habe freie Sicht. Ich sehe, dass sie ziemlich jung und frustriert ist, unaufmerksam, an irgendwas denkt – den Speckpreis oder ob sie Mandarinen kaufen soll. Ich denke, ich kriege Bein zu sehen, wenn ihr beim Aussteigen der Rock hochrutscht, ein wenig Knie, Strumpf, Unterrock, nackte Flanke. Ich warte. Die Wagentür geht auf, sie steigt aus, und sie hat eine Hose an. So geht das schon die ganze Woche. Die Frauen tragen keine Kleider mehr.
    Ich komme nach Hause und kann nicht schreiben. Die Gedichte bleiben aus, die Stories bleiben aus. Ich fahre zur Rennbahn und verliere. Ich laufe im Zimmer auf und ab. Der Typ unter mir spielt auf dem Akkordeon. Ich habe einen Brief bekommen.
    »… Der Traum von heute Nacht geht mir nicht aus dem Kopf. Du hast natürlich eine Hauptrolle darin gespielt, und bevor mir der Drang Dir zu schreiben ganz abhandenkommt, erzähle

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