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Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Titel: Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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zerlaufener Butter gegessen, aber beim anschließenden Blick in den Spiegel sind meine Augen immer noch so irr und abgedreht wie Augustregen. Vielleicht sollte man keinen Tintenfisch in Butter essen, zumindest nicht, während man Rachmaninoff hört. Vielleicht gibt es da eine Spezialsauce. Als amerikanischer Staatsbürger sollte ich bei Hamburgern und Rockmusik bleiben. Denken ist gefährlicher als Vögeln, und gute Amerikaner denken sehr wenig.
    Vielleicht war die Butter schlecht. Die Ärmchen haben wie Moppfransen geschmeckt. Und ich bin immer noch verliebt in Zsa Zsa Gabor.
    3.
    Wir liegen zusammen im Bett. »Ich muss pinkeln«, sagt sie. »Okay«, sage ich und lasse sie los. Sie setzt sich an die Nähmaschine. SRRRRRR! SRRRRRR! SRRRRRR! »Ach, verdammt!« Die Schere fällt ihr runter. SRRRRRR! SRRRRRR! Ich höre, wie sie mit der Schere Stoff schneidet. Es ist Donnerstagabend heute, kalt draußen, wir haben Dezember. Da soll es wohl kalt sein. SRRRRRR! SRRRR! SRRRRRR! Sie ist schon zwanzig Minuten dran. Sie hat einen orangen Pullover und eine grüne Hose an. Ich kenne sie seit rund drei Jahren. Die meiste Zeit wohnen wir zusammen. SRRR! SRRRR! SRRRRRR! Sie hat verschiedene Stoffe da, blau mit gelben Blüten, grün mit roten Blüten. Anscheinend macht sie kleine Blusen. Kissinger ist in Syrien, süßholzt mit der einen Hand und droht mit der anderen. Der Hund schläft auf einem roten Mantel auf dem Fußboden. Sie näht jetzt schon eine halbe Stunde. SRRRR! SRRRRR! SRRRRR! Ich frage mich, wann sie pinkeln geht.
    4.
    Dumpfbacken in einer deutschen Kneipe hinterm Glendale Boulevard, Freitagabend, ein Haufen dämlicher Deutscher, die nicht die Hundepisse unterm Stiefel eines toten Nazis wert sind. Deutschamerikaner aus Glendale und Burbank, die mit Rülpsern und derber Schnauze den Spielfilmdeutschen geben … diese Lagermeister, diese Sears-Roebuck-Schnäppchenverkäufer.
    Meine Freundin bestellt ein Sandwich zu $ 2.10, und das dunkle Bier kostet 50 Cent pro Glas. Ich, ich verdiene keine 3000 Dollar im Jahr, was für einen, der erst mittags aufsteht, ganz okay ist.
    Diese Kneipe, diese gelben deutschen Gesichter von Leuten, die sich ins Wochenende gerettet haben, und die Jukebox spielt wie in einem Highschool-Speiseraum. Die Männer versauen die Kellnerinnen, aber sie haben sonst nichts zu tun. Sie sitzen ohne Frauen hier herum. Ich war auch mal so, aber nie habe ich derart gebettelt, und dabei bleibt’s. Ich bekomme die Rechnung: $ 7. 10. Ich lasse einen Dollar Trinkgeld da wie ein ehrbarer Bürger, und wir schieben ab zum Parkplatz. Morgen ist der letzte Tag. Pincay hat Reitverbot, Tejerica ist auf den Topgewichten, Valdez hat den Abwurf nicht verwunden, Rudy Campas gehört rauf nach Bay Meadows. Und ich bin vierzig Dollar los. Belmonte hat sich innen einkeilen lassen, er ist reingekommen wie ein nasser Sack Scheiße, und das bei 3:1 nach einer 12er Morning Line. Belmonte, du hattest das Pferd, aber ich dachte, du hättest auch den nötigen Verstand, dir im lahmen ersten Viertel und in der schlafmützigen ersten Hälfte eine gute Ausgangsposition zu schaffen.
    Na ja, $ 40 sind nicht die Welt, auch Philosophen und Stierkämpfer irren sich, und Diamond Jim Brady hatte unbeschreibliche Visionen. Ich schalte die Scheinwerfer an, und wir fahren runter vom Parkplatz. Durchhalten ist manchmal wichtiger als die Wahrheit.
    5.
    Die Vorstellung, das Leiden sei den Edlen, Begabten und Klugen, den Empfindsamen, Verwegenen und Erfinderischen vorbehalten – das ist die größte Stange Scheiße überhaupt. Gestern Abend haben sie eine Razzia in den Bars gemacht, hatten einen Supreme-Court-Beschluss in der Tasche; mit höchstrichterlicher Billigung haben sie die Mädchen wie tote Fliegen, wie dreckige Servietten vom Tresen gefegt, dass die Ärmsten unter panischem Gewabbel ihrer enormen Brüste und verblüfften Schwenks ihrer mächtigen, wohlgeformten Hinterteile nur so geschrien haben, als man sie halbnackt hinausscheuchte und in Transportern und Pkws fortschaffte, um sie aufzuschreiben, abzulichten, ihre Fingerabdrücke zu nehmen und sie einzubuchten. Welch ein Unding. Welch eine Verschwendung von Qualitätsprodukten. Apropos Ungehörigkeit – die Bullen waren das Unanständigste an diesem Abend. Ein armes Mädchen kann nicht mal mehr einen ehrlichen Dollar verdienen. Sie wollten lediglich einsamen Männern einen lustvollen Abend bescheren. Ich habe schwer den Verdacht, dass die Jungs vom Supreme Court keinen mehr

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