Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)
unterzukommen. Es geht nicht mehr ums Werk, sondern ums Gedrucktwerden. Diese Talentvergeudung trifft normalerweise Schreiber in den Zwanzigern, denen es an Erfahrung fehlt, die nicht genug Fleisch auf den Knochen haben. Man kann nicht schreiben, ohne zu leben, und wer immer nur schreibt, lebt nicht. Auch Saufen oder Raufen macht noch keinen Schreiber, und ich habe zwar beides zur Genüge getan, aber es ist ein Irrtum und eine kranke romantische Vorstellung, dass man durch so was ein besserer Schriftsteller wird. Manchmal muss man sich zwar prügeln, und manchmal muss man saufen, aber das sind letztlich unkreative Zeiten, an denen nicht zu drehen ist.
Aus dem Schreiben wird schließlich sogar Arbeit , besonders wenn man Miete und Kindesunterhalt davon bestreiten muss. Aber es ist die schönste Arbeit und die einzige, und es ist eine Arbeit, die dich lebensfähiger macht, und deine Lebensfähigkeit steigert deine Schaffenskraft. Eins stärkt das andere; es grenzt an Zauberei. Ich habe mit 50 einen stumpfsinnigen Job hingeschmissen (mit »gesicherter Zukunft«, ha!) und mich vor die Schreibmaschine gesetzt. Es gibt nichts Besseres. Zuzeiten ist es die reine Hölle, du hast das Gefühl, du wirst verrückt, Stunden, Tage, Wochen kommt kein Wort, kein Laut, als wäre alles hin. Dann kommt es, und du sitzt da, rauchst und hämmerst drauflos, und es läuft und brüllt dich an. Du kannst mittags aufstehen, du kannst arbeiten bis drei Uhr früh. Einige Leute werden dich nerven. Sie begreifen nicht, was du da tust. Sie klopfen bei dir an, hauen sich in einen Sessel und verschlingen deine Zeit, ohne dir etwas zu geben. Wenn zu viele Nichtsgeber auftauchen und es immer mehr werden, musst du brutal zu ihnen sein, weil sie brutal zu dir sind. Du musst ihren Arsch vor die Tür setzen. Es gibt Leute, die ihren Anteil bezahlen, sie bringen ihre Energie und ihr eigenes Licht mit, aber die meisten anderen sind ohne Wert für dich und für sich selber. Die Toten gewähren zu lassen hat nichts mit Menschlichkeit zu tun, es macht sie nur noch toter, und sie lassen immer jede Menge Totes bei dir zurück, wenn sie verschwinden.
Und dann sind da natürlich noch die Ladies. Mit einem Dichter gehen die Ladies lieber ins Bett als mit jedem anderen, sogar lieber als mit einem Deutschen Schäferhund, obwohl ich auch mal eine kannte, die mir vorschwärmte, sie habe einmal einen gewissen Präsident Kennedy vernascht. Ob da was dran war, wusste ich nicht. Wenn du also ein guter Dichter bist, wirst du am besten auch ein guter Liebhaber, das ist eine Kunst für sich, lern also, wie es geht und üb dich, denn wenn du ein guter Dichter bist, bekommst du viel Gelegenheit dazu, vielleicht nicht wie ein Rockstar, aber die Gelegenheit kommt, und dann vergeude sie nicht, wie Rockstars es tun, indem du halbherzig nach Schema F rangehst. Zeig den Ladies, dass du wirklich bei der Sache bist. Dann kaufen sie natürlich auch weiter deine Bücher.
Und das soll als Rat erst mal genügen. Ach ja, am Eröffnungstag habe ich $ 180 gewonnen, gestern $ 80 verloren, heute kommt’s also drauf an. Es ist zehn vor elf. Das erste Rennen läuft um zwei. Ich muss meine Pferdegene mobilisieren. Gestern war ein Typ mit einem Herzschrittmacher auf der Bahn, und er saß im Rollstuhl. Er hat gewettet. Steckt den in ein Altenheim, und er ist morgen früh tot. Ein anderer Typ war blind. Er dürfte gestern einen besseren Tag gehabt haben als ich. Ich muss Quagliano anrufen und ihm sagen, dass ich mit dem Artikel hier fertig bin. Ein ganz merkwürdiger Hund ist das. Ich weiß nicht, wovon er lebt, und er sagt’s mir nicht. Bei den Boxkämpfen seh ich ihn ganz entspannt mit einem Bier dasitzen. Ich frage mich, was er am Kochen hat. Es macht mich unruhig …
Notizen eines Dirty Old Man
L. A. Free Press, 28 . Dezember 1973
1.
»Rufst du mich morgen an?«, fragte sie. »Natürlich«, sagte er und legte auf. Sie hatte ihm erzählt, sie hätten im Club so ein neues Gerät, das einer Frau ermögliche, in ihre Vagina zu schauen. Jahrhundertelang seien die Frauen herumgelaufen, ohne genau zu wissen, wie ihre Vagina aussah. Ein Mann könne sein Ding einfach betrachten, es hänge ja vornedran. Wenn eine Frau eine Beziehung zu ihrer Vagina aufbauen könne, sei sie seelisch nicht mehr so gefährdet. Sie war wirklich eine sehr intelligente Frau. Während sie eine Beziehung zu ihrer Vagina herstellte, zog er sich aus und ging allein ins Bett.
2.
Ich habe gerade ein Tintenfischbaby in
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