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Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Titel: Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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ein Ei einen Dollar kostet und sie nur 50 Cent haben. Das Ganze kann über Nacht hochgehen, und dann wehen rote Fahnen von den Schornsteinen, und Mao-T-Shirts spazieren durch Disneyland, oder vielleicht kommt Jesus auf einem goldenen Bike daher, dessen Vorderrad zwölfmal so groß ist wie das hintere. Jedenfalls sind die Leute auf der Rennbahn verzweifelt; das Wetten ist ein Job geworden, eine Überlebensfrage, es ist ein Kreuz und kein Spaß mehr. Und wenn man auf der Rennbahn nicht genau weiß, was man tut, wie man den Totalisator liest und nutzt, wie man die Einschätzung des Bahnexperten zu bewerten und das Idiotengeld vom Kennergeld zu trennen hat, dann gewinnt man nicht, dann gewinnt man bei zehn Rennbahnbesuchen höchstens einmal. Leute, die ihre letzten Cents setzen, ihr Arbeitslosengeld, geborgtes oder stibitztes Geld, stinkendes Geld, das ihnen durch die Finger rinnt, werden hier ein für alle Mal gerupft, ganze Menschenleben gehen in die Binsen, aber weil der Staat von jedem Dollar fast sieben Prozent Steuern kassiert, ist es legal. Ich komme hier besser zurecht als die meisten, weil ich mich intensiver damit befasst habe. Die Rennbahn ist für mich, was der Stierkampf für Hemingway war – ein Ort, um Tod und Bewegung und den eigenen Charakter oder Mangel an Charakter zu studieren. Beim 9. Rennen war ich $ 50 im Plus, setzte $ 40 auf den Sieg des Pferdes meiner Wahl und ging raus zum Parkplatz. Auf der Rückfahrt hörte ich das Ergebnis des letzten Laufs im Radio – mein Pferd war Zweiter geworden.
    Ich kam nach Hause, nahm ein warmes Bad, rauchte einen Joint, rauchte zwei Joints (Tüten), trank etwas Weißwein, Blue Nun, schob sieben oder acht Flaschen Heineken nach und überlegte, wie ich wohl am besten ein Thema anging, das vielen Leuten heilig war, den noch jungen zumindest. Ich mochte den Rock-Beat; ich mochte immer noch Sex; ich mochte das ansteigende, hochtönige Dröhnen und Röhren und Beschwören des Rock, aber Mahler, Ives und Ludwig van machten mich wesentlich glücklicher. Was dem Rock fehlte, war die volle Variationsbreite und melodische Vielschichtigkeit, die es einfach nicht nötig hatte, im Kreis zu rennen wie ein Hund, der sich den Arsch abzubeißen versucht, weil er Chili gefressen hat. Na, mal sehen. Ich trank den Blue Nun aus, zog mich an, rauchte noch einen Joint und fuhr wieder los. Ich war spät dran.
    S. O. Und der Parkplatz war voll. Ich fuhr drumherum und parkte in der nächstmöglichen Straße – mindestens eine halbe Meile entfernt.
    Ich stieg aus und ging los. Manchester Avenue. Die Straße war voll von vergitterten und bewachten Wohnhäusern. Und Bestattungsunternehmen. Noch andere gingen zu Fuß. Aber nicht allzu viele. Ich war spät dran. Im Gehen dachte ich, Mensch, das ist zu weit, ich sollte umkehren. Aber ich stiefelte weiter. Ungefähr auf halber Strecke (auf der Südseite der Manchester) sah ich einen Golfplatz mit Bar und ging rein. Es waren Tische da. Und Golfer, zufriedene Golfer, die ohne Eile tranken. Es gab auch einen Freilicht-Golfplatz, aber die Brüder hier hatten im Flutlicht auf der langen Bahn Distanzschläge geübt. Hinter der verglasten Rückwand der Bar sah man immer noch ein paar Typen Golfbälle unterm Mond wegschmettern. Ich hatte ein Mädchen dabei. Sie bestellte eine Bloody Mary und ich einen Screwdriver. Wenn mein Bauch zickt, beruhigt mich Wodka, und mein Bauch zickt fast immer. Die Kellnerin fragte das Mädchen nach ihrem Ausweis. Sie war 24, und das gefiel ihr. Der Barmann hatte ein verschlagenes, dummblasses Gesicht und schenkte zwei knickrige Drinks ein. Aber es war angenehm kühl da drin.
    »Wie isses«, sagte ich, »bleiben wir hier und betrinken uns? Scheiß auf die STONES. Ich kann mir ja was ausdenken: Wollte zu den STONES, hab mich in einer Golfplatzbar zugeschüttet, gekotzt, einen Tisch zertrümmert, ein Kokospalmenhandtuch gestickt, mir Krebs geholt. Was hältst du davon?«
    »Klingt gut.«
    Wenn Frauen mir zustimmen, tu ich immer das Gegenteil. Ich zahlte, und wir gingen. Es war immer noch ein ganzes Stück. Dann liefen wir quer über den Parkplatz. Wagen des Sicherheitsdiensts patrouillierten. Junge Leute lehnten an Autos, rauchten Joints und tranken billigen Wein. Bierdosen sah man auch. Einige Whiskeyflaschen. Die jüngere Generation war nicht mehr für Dope und gegen Alkohol – sie hatten mich eingeholt und nahmen alles. Wenn demnächst 27 Länder die Wasserstoffbombe hatten, brauchte man nicht mehr groß auf die

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