Das weiße Amulett
seine gute Laune augenblicklich wieder zurückbrachte.
Aber nur für Sekunden.
Plötzlich flog etwas kleines Metallisches durch die Luft und ließ Karens Lächeln zu Eis gefrieren. Ihr stockte für einen Moment der Atem. Mit einer schnellen Bewegung griff sie sich an den Nacken und hielt Mansfield mit einer wortlosen Frage einen silbernen Pfeil hin, ehe sie ohnmächtig zusammensank. Er fing sie auf und bemerkte aus dem Augenwinkel einen Schatten hinter einer der steinernen Figuren am Ende der Brücke verschwinden.
»Halt! Stehen bleiben! Haltet ihn auf!«
Aber es waren kaum Menschen auf der Brücke, und der Unbekannte war blitzschnell verschwunden. Mansfield blickte auf Karen hinunter, griff nach ihrem Kinn und schüttelte es leicht.
»Hören Sie mich? Antworten Sie mir, Karen! Antworten Sie mir!«
Doch sie blieb regungslos.
»Verdammt!«, fluchte Mansfield, griff nach seinem Handy und rief nach einen Notarzt.
21
Im Saint-Raphael schob man Karen auf einer Transportliege durch die Notaufnahme. Ein junger Arzt und Mansfield rannten nebenher.
»Sind Sie mit der Frau zusammen gewesen?«, fragte der Arzt und warf einen schnellen prüfenden Blick auf Karen. »Was ist geschehen?«
Mansfield öffnete wortlos seine Hand und zeigte dem verblüfften Mann den Pfeil.
»Du liebe Güte, was ist denn das?« Er sah Mansfield an. »Haben Sie eine Vermutung, ob es sich um ein Betäubungsmittel oder um Gift handeln könnte?«
Mansfield schüttelte nur den Kopf. Der Arzt griff nach dem Geschoss und reichte es einem Kollegen.
»Lassen Sie es schnell durchchecken, Dennis!«
Sie schoben Karen in einen Raum, in den Mansfield ihnen nicht folgen durfte. Er blieb allein im Flur zurück.
Eine halbe Stunde später kam Laurent und brachte ihm einen Pappbecher mit Kaffee mit. Die Geste irritierte Mansfield nach seinem gestrigen Verhalten, aber offensichtlich hatte sich Laurent wieder beruhigt. Der Kommissar setzte sich neben ihn und wartete einen Augenblick, während er einen Schluck trank. Der heiße Kaffee tat ihm gut.
Laurent fixierte einen Punkt auf dem Milchglasfenster gegenüber und atmete einmal tief durch.
»Wissen Sie, was mich so irritiert, Mansfield?«
Dieser schüttelte den Kopf.
»Dass ich Sie immer wieder in diesem Krankenhaus antreffe anstatt im Louvre oder in Sacré-Cœur. Ich meine, wenn Sie ein normaler Tourist wären, warum machen Sie dann nicht einfach Urlaub wie jeder andere auch und lassen Madame Alexandre ihrer Arbeit nachgehen?«
Der Plastikbecher knackte in Mansfields Hand. »Ich mache meinen Urlaub und sie ihre Arbeit. Es ist alles vollkommen in Ordnung«, knurrte er.
»Finden Sie?« Laurent warf ihm einen schnellen Blick zu. »Wie schön, dass Sie immer so ehrlich zu mir sind, Monsieur Mansfield, wo ich gerade mit Ihrem Vorgesetzten in New York gesprochen habe, der mir etwas anderes erzählt hat.«
Mansfield schien für einen Augenblick außer Fassung zu geraten, hatte sich aber sofort wieder unter Kontrolle.
»Und? Wie ist das Wetter in New York?«
»Heiß, Mansfield, sehr heiß. Winslow schien übrigens ziemlich überrascht zu sein, dass Sie sich in Frankreich aufhalten.«
»Hab wohl vergessen, ihm eine Postkarte zu schicken.«
»Sie haben anscheinend ein bisschen mehr vergessen. Zum Beispiel, dass Sie vorläufig vom Dienst suspendiert sind und ein Dienstverfahren wegen Bestechung und Drogenhandel gegen Sie läuft.«
»Sie können mich mal, Laurent«, sagte Mansfield zähneknirschend und warf den Becher in einen Mülleimer.
In dem Augenblick öffnete sich eine automatische Schwingtür, und Dr. Viret kam auf sie zu.
»Messieurs, ich hoffe, dass dies nicht zu einem Dauerzustand wird«, sagte er mit missbilligendem Blick, während er den Kugelschreiber in eine Mappe zurücklegte und sie zuklappte.
»Das hoffen wir auch, Doktor.« Laurent warf Mansfield einen Blick zu. »Wie geht es ihr diesmal?«
»Sie wird es überstehen, aber wenn Sie sie auch nur eine Stunde später eingeliefert hätten, wäre es kritisch geworden. Der Pfeil hat zum Glück keine Ader getroffen und ist nicht tief in den Nacken eingedrungen, aber da es sich um ein äußerst seltenes Gift handelt, war es nicht ungefährlich.«
Mansfield hatte auf einmal einen ganz trockenen Hals. »Es war also tatsächlich Gift?«
»Ja, so ist es.«
»Welches?«
Der Arzt nahm seine Brille ab. »Schlangengift.« Er sah in den Unterlagen aus der Mappe nach. »Von der Afrikanischen Kobra. Ohne sofortige Gegenmaßnahmen führt es in den
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