Das weiße Amulett
meisten Fällen schnell zu Kreislaufzusammenbruch und Herzversagen.«
»Wann ist Madame Alexandre wieder vernehmungsfähig?«
»Morgen Mittag, auf keinen Fall früher. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden«, sagte Dr. Viret und rief einem Kollegen etwas zu, der gerade in einen Fahrstuhl einsteigen wollte. Er eilte ihm hinterher und redete schon wieder über einen anderen Patienten, während Mansfield den Kommissar wegen seiner Frage unwirsch am Arm packte.
»Sie hat den Mann nicht gesehen, Laurent! Er stand hinter ihr.«
»Sie meinen wieder mal den großen Unbekannten? Dann haben also auch diesmal nur Sie ihn gesehen?«
»Ich habe ihn gesehen, ja. Und die drei, vier anderen Menschen auf der Brücke wohl auch, aber das ist völlig unwichtig, weil es Sie ja doch nicht interessiert.«
Mansfield ging zu einem Fenster, um sich abzulenken. Draußen hatte sich der Himmel bezogen, und es würde wohl bald regnen.
Laurent stellte sich neben ihn und betrachtete ihn von der Seite. Der Amerikaner hatte ihm nicht alles erzählt, so viel stand fest.
»Wenn Madame Alexandre ermordet wird«, begann Laurent, aber Mansfield unterbrach ihn.
»Schon klar, dann verhaften Sie mich.«
»Falsch. Wenn sie ermordet wird und ich herauskriege, dass Sie mit dem Tod von Monsieur Tanvier etwas zu tun haben, mach ich Sie fertig.«
Mansfield lächelte boshaft. »Sie scheinen den Tod Ihres Seminarleiters sehr persönlich zu nehmen, Monsieur le Commissaire.«
»Persönliche Dinge nehme ich immer sehr persönlich, Monsieur Mansfield. Und ich beende sie auch immer sehr persönlich«, entgegnete Laurent und legte dabei eine besondere Betonung auf den letzten Satz.
»Machen Sie Ihre Arbeit, Laurent, und lassen Sie uns in Ruhe«, sagte Mansfield, wandte sich vom Kommissar ab und betrachtete den mittlerweile niederprasselnden Regen.
»Wir sehen uns wieder, Monsieur«, prophezeite Laurent und stapfte an Mansfield vorbei zur Tür.
»Hoffentlich nicht«, murmelte Mansfield und sah auf den Innenhof hinab, wo sich eine leichte Sandschicht in dünnen Schlamm verwandelte. »Hoffentlich nicht.«
22
Laurent fuhr ins Präsidium zurück, wo Durel ihn mit einer überraschenden Mitteilung empfing.
»Man hat Mansfield zusammen mit Vincent Bouvier im Capet gesehen.«
»Wann?«, polterte Laurent.
»Freitagabend. Sie haben kurz miteinander gesprochen und sind dann durch den Hinterausgang verschwunden.«
»Lucass’ Wasserträger! Also doch!« Laurent schlug mit der Faust auf den Tisch. »Ich wusste, dass Mansfield Dreck am Stecken hat. Er lügt, wenn er den Mund aufmacht. Lucass, verdammt! Unser kleiner Drogenbaron. Ich wusste gar nicht, dass er wieder in Paris ist. Hat unser Informant beobachtet, dass Mansfield Vincent etwas gegeben hat?«
»Nein. Sie haben nur miteinander geredet.«
»Merde! Das genügt nicht für eine Verhaftung. Gibt es sonst noch etwas Neues?«
»Allerdings.« Durel zeigte auf Laurents Computerbildschirm, der ein Foto von Mansfield und unzählige Einträge wiedergab.
»Seine Personalakte! Perfekt!« Mit einem schnellen Blick überflog er die einzelnen Einträge und lächelte.
»Unser Freund hatte also schon öfter Probleme mit seinen Vorgesetzten. Na, das wundert mich nicht. Und die Drogenfahndung ist tatsächlich hinter ihm her.« Er las einen längeren Bericht, der aus dem letzten Monat stammte. »Man hat bei einer Hausdurchsuchung Unterlagen über ein Schweizer Konto gefunden, auf dem mehrere größere Überweisungen liefen. Warum so heimlich, Monsieur Mansfield?«
Durel schaute ihm über die Schulter. »Versteh ich nicht. Warum sollte er sich mit Drogendeals und Bestechung abgeben? Er hat doch einen reichen Vater, der ihn aushält.«
»Seit einem halben Jahr nicht mehr. Hier steht, dass es zu einer polizeilichen Untersuchung kam, die zu keinem Ergebnis führte. Trotzdem distanzierte sich Mansfield senior öffentlich von seinem einzigen Sohn und verordnete ihm Hausverbot. Auch seine monatlichen Geldzuschüsse wurden von heute auf morgen gestrichen.«
»Dann hält sein eigener Vater die Vorwürfe für gerechtfertigt?«
»Oui.« Laurent las weiter. »Man hat festgestellt, dass Mansfield junior merkwürdigerweise weiterhin auf großem Fuß lebte, und behielt ihn im Auge. Im August sagte plötzlich ein gewisser Marvin Hazlewood nach seiner Festnahme aus, dass er ein Gespräch zwischen Robert Brennar und jemand anderem gehört habe, in dem gesagt wurde, Mansfield sei kein Problem, für Geld mache der alles. Als es
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