Das weiße Grab
ein, das Unerlaubte zu tun.
Auch die Comtesse verstand, was geschehen war. Sie hatten gerade grünes Licht erhalten, Andreas Falkenborg in die Mangel zu nehmen, wenn sie ihn erst einmal hatten, solange das niemand erfuhr. Ihr Unterkiefer sackte nach unten, und sie leistete mit einem leisen Schmatzer ihren einzigen Beitrag zur Diskussion, während ein Tröpfchen Speichel aus ihrem Mundwinkel lief. Der PET -Chef reichte ihr eine Serviette, ohne sie anzusehen. Stattdessen wandte er sich an Ernesto Madsen und fragte: »Wie ist Ihre fachliche Meinung zu der Frage, ob Andreas Falkenborg sich von der Polizei verhören lassen wird, sollte er verhaftet werden?«
»Die Wahrscheinlichkeit ist sehr gering.«
»Wie gering?«
Konrad Simonsen spürte, wie heiß seine Wangen waren. Ernesto Madsen modifizierte seine Antwort ein bisschen: »Das weiß ich nicht. Aber ich halte die Wahrscheinlichkeit, dass er reden wird, für sehr gering.«
Jetzt war es für Konrad Simonsen an der Zeit, seinen Vorstoß zu wagen. Sein Wunsch, für die Überwachungsaufgaben zusätzliche PET -Leute akquirieren zu können, war durch Helmer Hammers verdeckten Kommentar nicht weniger wichtig geworden, außerdem schien ihm der PET -Chef unerwartet wohlgesinnt zu sein. Auch dieser Mann schien die seltsame Botschaft des Staatssekretärs verstanden zu haben. Vermutlich als Einziger neben der Comtesse, ihm selbst und Bertil Hampel-Koch.
Konrad Simonsen wandte sich direkt an den Mann vom polizeilichen Nachrichtendienst.
»Ich brauche eine größere Anzahl Ihrer Leute für die Überwachung von Andreas Falkenborg, sie sind besser für eine solche Aufgabe ausgebildet als meine Männer.«
Das Wunder geschah, der PET -Chef war einverstanden: »Ausgezeichnet, aber unter meinem Kommando.«
»Einverstanden, aber Sie erstatten mir Bericht. Eine Ermittlung kann nicht zwei Leiter haben, das endet nur im Chaos.«
Die Polizeidirektorin stützte Konrad Simonsen und begann eine längere Argumentationsreihe über die Nachteile unklarer Kommandostrukturen, die in ihren Augen ebenso verheerend waren wie die Pest oder der Spitzensteuersatz. Sie wurde unterbrochen von dem Brummen des PET -Chefs: »Ich kann gut damit leben, Konrad Simonsen ein paar Tage lang als Chef zu haben.«
Der Fall war klar, wenn die endgültige Entscheidung auch noch beim obersten Polizeichef lag, der zögernd sagte: »Nun, vielleicht sollten wir doch überlegen …«
Weiter kam er nicht, denn der Mann vom Justizministerium schoss quer: »Das ist keine gute Idee, und ich glaube, auch meine Chefin wird sich dagegen verwehren. Die Sicherheit des Staates darf durch diesen Fall nicht beeinträchtigt werden.«
»Schließlich dreht es sich nur um zwei Personen«, ergänzte die Sekretärin der Justizministerin zynisch.
Ihre Ohrringe wippten im Takt, als sie nickte, um ihren eigenen Argumenten noch mehr Gewicht zu verleihen. Konrad Simonsen sagte ruhig und eiskalt: »Wenn Sie so etwas noch einmal sagen, kriegen Sie ein paar auf die Mütze. Und glauben Sie nicht, dass das eine leere Drohung ist.«
Der Mitarbeiter des Justizministeriums rutschte entsetzt ein Stück vom Tisch weg, während der Polizeichef versuchte, die Wogen zu glätten, indem er die Entscheidung auf den nächsten Tag verschob. Ernesto Madsen, der PET -Chef und der Staatsanwalt grinsten unverhohlen, während die Sekretärin der Justizministerin fieberhaft ihre Tasche durchsuchte, bis sie endlich einen Inhalator fand.
Zu guter Letzt brach Helmer Hammer das betretene Schweigen und fragte den Mitarbeiter des Justizministeriums:
»Ich hingegen halte das für eine sehr gute Idee. Wenn Ihre Chefin Einwände hat, weiß sie ja, an wen sie sich wenden kann.«
Danach richtete er seinen Blick auf den Polizeichef, der zögernd verkündete: »Dann sollten wir das so machen. Ja, das ist sicher das Beste so.«
Bertil Hampel-Koch notierte die Entscheidung, und die Comtesse dachte, welch großer Unterschied doch bestand zwischen dem angenehmen Barfußgänger, in dessen Gesellschaft sie sich im Botanischen Garten so wohl gefühlt hatte, und dem bürokratischen Machtmenschen, den sie jetzt hier am Tisch erlebt hatte.
Es blieben nur noch zwei kleine Fragen, wovon die eine ungebührlich viel Zeit erforderte. Der oberste Polizeichef sprach zehn Minuten ohne Unterlass über Überstunden und sein bereits überzogenes Budget, und das, obwohl sich landesweit Hunderte von Beamten freiwillig gemeldet hatten, um der in Lebensgefahr geratenen Kollegin zu helfen.
Weitere Kostenlose Bücher