Das weisse Kaenguruh
in seinem aktuellen Zustand nichts, aber auch gar nichts im öffentlichen Straßenverkehr zu suchen hat. So besteht erstens der Verdacht, daß Sie durch ihre extreme Beladung das zulässige Gesamtgewicht überschreiten. Zweitens besteht der Verdacht, daß Sie die zulässige Achslast ebenso überschreiten. Aber ungeachtet der Tatsache, ob sich diese Verdachtsmomente bestätigen oder nicht, gehört dieser fahrende Haufen Schrott umgehend von der Straße. Wie stellen Sie sich das eigentlich vor? Was ist, wenn Sie plötzlich stark bremsen müssen? Dann fliegt Ihnen das ganze Klump ja ins Genick. Dann sind Sie tot, verstehen Sie? Und nicht nur Sie. Auch andere Verkehrsteilnehmer werden durch die Art und Weise, wie Sie ihre Ladung gesichert haben, erheblich gefährdet. Und hier, Herr Büttgen, befinden wir uns klar im Bereich der Ordnungswidrigkeit. Da können wir gar nicht anders. Das wird Sie Geld kosten. Und Zeit übrigens auch. Weil Sie so nicht weiterfahren können. Bis Münchenschon gleich gar nicht. Mit dieser Ladung fahren Sie erst einmal nirgendwo mehr hin. Das muß alles ausgeladen und im Folgenden mit einem dafür geeigneten Fahrzeug weitertransportiert werden. Am besten direkt auf den Schrottplatz. Aber wurscht, das ist Ihre Sache. In jedem Fall muß er raus, der Schrott, wenn Sie mich fragen. Und der komische, gelbe Vogel auf dem Dach da gehört so auch nicht transportiert, so schaut es aus.«
Billy war platt.
»Nun gut«, sagte er schließlich. »Wenn das so ausschaut.«
»Ich sage es so und ich meine es auch so«, sagte Vinzenz.
Dann machte er eine kleine Pause und schaute zum Euro. Der Euro schaute zurück, machte ein freundliches Gesicht und faltete für einen Moment seine Hände, als würde er Vinzenz anbeten. Mit Erfolg. Vinzenz fühlte sich in seiner Rolle verstanden, und so entschied er sich für Gnade. Jedenfalls soweit er konnte.
»Und damit, lieber Herr Büttgen, kommen wir zum Punkt des sogenannten Ermessensspielraums«, sagte er und drehte sich dabei wieder zu Billy. »Wir haben hier nämlich gerade zwei Probleme. Erstens haben mein Kollege und ich noch andere Sachen zu tun, als so was wie Sie von der Straße zu holen. Und außerdem hat Ihr Beifahrer, der Herr Riedinger, eine kranke Großmutter daheim. Und wir sind ja keine Unmenschen, verstehen Sie? Also werden wir folgendes tun. Wir begleiten Sie jetzt in unser Hauptquartier, dort wird ruckizucki ausgeladen, Sie kriegen Ihre OW wegen allgemeiner Verkehrsgefährdung, unterschreiben brav, und dann bringen Sie den Herrn Riedinger auf direktem Weg nach Hause zu seiner Oma. Auf die Waage müssen Sie ausnahmsweise nicht. Da drücken wir mal ein Auge zu.«
»Dankeschön«, sagte Billy erleichtert und überrascht zugleich. »Das ist echt nett von Ihnen.«
»Paßt schon«, sagte Vinzenz und winkte ab. »DankenSie nicht mir, danken Sie dem Herrn Riedinger. Und jetzt packen wir es. Ihr fahrt voraus, Burschen. Wir sichern nach hinten ab.«
Damit ließ Vinzenz die beiden stehen und ging zurück zu seinem A4.
»Bis gleich«, rief ihm der Euro hinterher. »Und laßt euch nicht abhängen.«
»Kofferverkäufer«, sagte Billy, als sie im nächsten Moment wieder im Auto saßen und beide Türen zu waren.
»Rimowa-Koffer«, betonte der Euro und griff in seine Sakkotasche. »Hier, die aktuelle Kollektion.«
Billy schaute nach rechts und sah, wie der Euro ihm gerade einen Prospekt hinhielt.
»Es hätte trotzdem schiefgehen können«, murrte er und fuhr los.
»Ich finde, der Vinzenz hat recht. Ein ›Danke‹ könnte nicht schaden«, sagte der Euro.
»Danke«, sagte Billy.
»Nichts zu danken«, sagte der Euro.
Last Exit Schwabing.
Zweieinhalb Stunden später waren sie endlich am Ziel. Das erste, was Billy von München zu sehen bekam, war das riesige BM W-Emblem . Es hing an einer fetten Wohnsilofassade am Ende der Autobahn und leuchtete weißblau. Da wollte Billy also hin. Nach ganz oben zu BMW. Er nahm einen langen Zug von seiner Caporal, ließ ihn nach ein paar endlosen Sekunden wieder raus und hatte plötzlich so ein Gefühl. »Das ist ja völlig absurd«, dachte er sich und setzte den Blinker.
Wie befohlen brachte er den Herrn Riedinger nach Hause zu seiner kranken Oma. Der Herr Riedinger wohnte in Schwabing. Billy sagte das nichts. Vom Ende der Autobahnwaren es noch knapp zehn Minuten, dann waren sie da. Irgendwas-mit-Reiter-Straße. Komische Ecke. »War früher mal eine Kaserne«, erklärte der Euro. »Ist aber aufgelöst worden.
Weitere Kostenlose Bücher