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Das Weisse Kleid Des Todes

Das Weisse Kleid Des Todes

Titel: Das Weisse Kleid Des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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Reifen durch den trockenen Pulverschnee. Die Scheinwerfer fielen auf ein paar fast verdeckte Fahrspuren, aber niemand war kurz zuvor durchgekommen.
    Die Straße wand sich den Berg hinauf und verschwand jedes Mal nach ein paar Wagenlängen um die nächste Biegung. Es war immer noch genug Licht, um deutlich die Konturen der Gräben auf beiden Seiten erkennen zu können. Clare war heilfroh, dass sie die Serpentinen nicht in völliger Finsternis zu bewältigen hatte, und fuhr nicht mehr als fünfundzwanzig Meilen die Stunde. Sie passierte eine Waldschneise. Also gab es noch eine zweite Forststraße! Grimmig biss sie sich auf die Lippe. Kristen hätte die Anzahl der Meilen bis zu der Abzweigung exakter angeben sollen. Halb um die nächste Biegung erblickte sie zwei kleine, helle Lichter in Höhe der Windschutzscheibe, die mitten auf der Straße zu sein schienen. Clare bremste, da lösten sich diese Lichter auf, und sie konnte gefahrlos weiterfahren, als ein Reh ins schützende Dickicht sprang. Zum ersten Mal seit drei Wochen fluchte sie laut, und das tat so gut, dass sie weitere Flüche auf jedes Stück Wild im Staate New York niederprasseln ließ, während sie ihr Auto wieder gerade ausrichtete, um vorsichtig zu beschleunigen.
    Eine Meile weiter bergauf gab es noch eine ungekennzeichnete Straße, durch den dichter werdenden Wald kaum sichtbar und natürlich nicht geräumt. Clare machte sich allmählich Sorgen, ob sie auf diesem Weg wirklich zu Kristens Hütte gelangen würde. Der Schnee türmte sich von Minute zu Minute höher auf, war tief genug, um den Wagen ernsthaft zu behindern und den Ein-Meilen-Marsch in ihren leichten Stiefeletten zu einer Via dolorosa zu machen. Sie schaltete das Radio aus, damit sie das Geräusch ihrer Reifen besser hören könnte. Sie müsste es einfach darauf ankommen lassen, müsste so weit wie möglich zu der Hütte vordringen und, falls sie stecken bliebe, auf die Hupe drücken, bis Kristen zu ihr kam. Dann könnte sie Kristen bitten, anständiges Schuhwerk zu bringen, mit dem sie den Rest des Weges bewältigen konnte.
    Der Kilometerzähler bewegte sich auf die Sechs-Meilen-Marke zu. Clare ließ die Scheibenwischer schneller laufen und suchte durch das Schneetreiben die Einfahrt zur Forststraße. Das Tageslicht war jetzt fast vollständig verschwunden. Versuchsweise blendete sie auf, aber das Schwindel erregende Schneegestöber im Scheinwerferkegel und das Glitzern des Schnees auf der Straße raubten ihr den Orientierungssinn.
    Weiter oberhalb war eine Lücke in der Wand aus Bäumen. Clare verlangsamte und kurbelte das Fenster herunter, um besser sehen zu können. Schwer zu sagen, aber die schwachen Furchen unter dem Neuschnee schienen Reifenspuren zu sein. Sie kurbelte das Fenster wieder hoch und bog vorsichtig in den Forstweg ein.
    Gott sei Dank führte er in einer sanften, an den Hang geschmiegten Kurve leicht bergab. Nichts, was den bereits überstrapazierten Wagen zu Wendemanövern zwang. Clare warf einen Blick auf den Kilometerzähler. Fast am Ziel, obwohl sie in dem wasserblauen Dunkel, der Wand aus Bäumen und dem Schnee die Hütte wahrscheinlich erst erkennen würde, wenn sie schon zur Haustür hineingefahren war. Vor ihr führte die Straße einen lang gestreckten Hang hinauf. Clare stöhnte. An einem klaren Herbsttag wäre dieser Hügel nichts als eine freundliche Bodenwelle unter ihren Reifen. Aber jetzt …
    Sie umklammerte das Lenkrad, schaltete zurück und gab Gas. Kräftig. Das Heck brach aus, dann zog der Wagen wieder an. Clare lehnte sich zur Windschutzscheibe vor, als könnte die Verlagerung ihres Gewichtes ausschlaggebend sein. Der Motor heulte.
    »Komm schon, komm schon«, zischte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen, und der Wagen kroch den Hügel hinauf. »Gleich haben wir’s geschafft, gleich …« Sie trat ein letztes Mal aufs Gaspedal und lachte triumphierend, als die Vorderräder griffen und sie über den Hügelkamm zogen. Plötzlich sauste sie bergab. Das Fahrzeug scherte heftig nach links aus, als wäre das Straßenbett weggebrochen. Erschrocken nahm sie den Fuß vom Gas und trat auf die Bremse. Die Vorderräder blockierten. Der Wagen schlitterte abwärts, schlingerte und kippte. Clare kämpfte um die Kontrolle, trat fester auf die Bremse, lenkte gegen die vereiste Rutschbahn.
    Unwillkürlich stieß sie einen gellenden Schrei aus, als das Fahrgestell des Autos auf etwas Flaches, Hartes traf – schrie noch einmal, als sie tatsächlich umkippte und sich

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