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Das Weisse Kleid Des Todes

Das Weisse Kleid Des Todes

Titel: Das Weisse Kleid Des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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nicht einmal bei der Aussicht, aus Kartons leben zu müssen, für den Gedanken erwärmen, dass einige Pfarreidamen ihre Siebensachen durchstöberten und im Haus Klarschiff machten.
    Durch den rechten Türbogen konnte Russ die Ursache des Übels entdecken. Ein paar übergroße Holzscheite, die sich in dem Backsteinkamin in der Wandmitte stapelten, spuckten Flammen. Qualm quoll unter dem Kaminsims hervor und erfüllte den Raum. Da Russ keinen Alarm hörte, vermutete er, dass das malerische Pfarrhaus nie mit etwas so Modernem und Zweckmäßigem wie Rauchmeldern ausgestattet worden war. »Mal sehen, was ich tun kann«, sagte er. »Und Sie, machen Sie ein paar Fenster auf.«
    Sobald er auf den Steinplatten vor dem Kamin kniete, sah er, dass die Abzugsklappe geschlossen war. Er zog den Griff nach vorn, und mit einem Sauggeräusch stieg der Rauch den Schornstein hinauf. Links neben dem Kamin standen eine eiserne Holzkiste und ein schmiedeeiserner Behälter voll Reisig. »Haben Sie vielleicht eine Zeitung zur Hand?«, fragte Russ. Clare schnappte sich den gestrigen Post-Star von einem Kaffeetisch aus Fichtenholz. Der Chief schob die leicht angekohlten Scheite zur Seite und ersetzte sie durch zusammengeknülltes Zeitungspapier, dann legte er etwas Reisig und ein gevierteltes Holzscheit darauf. Clare hatte einen dieser albernen Messingbehälter mit Fidibussen von dreißig Zentimeter Länge auf dem Kamin stehen.
    »Man braucht Zeitungspapier dafür?«, staunte sie, als das Feuer zu brennen begann. »Das wusste ich gar nicht.«
    »Wo haben Sie Feuermachen gelernt?«, fragte Russ.
    »Im Überlebenstraining«, antwortete sie. »Wissen Sie, so mit Tannennadeln, Zweigen, einem Gummiband …«
    »Tun Sie sich einen Gefallen«, unterbrach er grinsend. »Nehmen Sie stattdessen Papier. Legen Sie keine dicken Scheite drauf, bevor das Feuer nicht richtig prasselt.«
    »Aber mein Feuer hat doch geprasselt!«, erwiderte sie. »Ein, zwei Minuten lang.«
    »Wann? Als die Tannenzapfen explodiert sind?«, sagte Russ lachend.
    »Der Qualm hat sich jetzt verzogen«, konstatierte sie würdevoll. »Ich schließe die Fenster wieder.«
    Unterdessen nahm Russ den Raum unter die Lupe. Vor dem Kamin stand eine Sitzgruppe, bestehend aus einem weichen Polstersofa und ein paar Sesseln, auf dem Dielenboden lag ein Läufer. Ein Wust von Büchern, Bildern und Pflanzen türmte sich in den niedrigen Einbauregalen zu beiden Seiten der Feuerstelle, die von zwei kleinen Spitzbogenfenstern gekrönt wurden.
    »Also, was führt Sie her? Außer meinen Schinken vorm Räuchern zu retten?«
    »Wollte mich über den Fall unterhalten.«
    »Ah«, sagte sie. »Warum kochen wir uns dann nicht erst mal einen Kaffee? Machen Sie sich’s bequem.«
    »Kaffee wäre toll. Ein hübsches Plätzchen haben Sie da. Wissen Sie, wann es gebaut wurde?«
    Sie verschwand durch eine Pendeltür auf der Rückseite des Raumes, aber ihre Stimme drang zu ihm her. »Neunzehn-zwölf. Sehr kunsthandwerklich, nicht?«
    »O ja.« Er ging in den Vorraum zurück und zog seine nassen Stiefel aus. »Linda und ich haben draußen bei Fort Henry ein Farmhaus aus dem achtzehnten Jahrhundert. Elf Zimmer, keine Einbauschränke und alles krumm und schief – jede Wand, jeder Fußboden.«
    »Muss ’ne Menge Arbeit machen«, rief Clare aus der Küche.
    »Ja, aber mir gefällt’s. Spiele nun mal gern den König der Baumärkte und Heimwerker.«
    Unter dem großen Vorderfenster hatte sie eine rechteckige Kiste postiert, die als Bar diente. Hübsche Karaffen. Russ öffnete eine davon und nahm eine Nase voll Scotch-Duft, der stark genug war, ihm den Mund wässrig zu machen. Seufzend verschloss er die Karaffe wieder. Die Stühle rechts und links, mit Sitzflächen aus Rohr, sahen nicht so aus, als könnten sie sein Gewicht tragen, aber das Fenster gefiel ihm. Durch schmucklose Einfachheit brachte es die kleinen Scheiben zur Geltung, die den Rand säumten. Das war eine Sache, die ihn an der Vorhangschneiderei seiner Frau verrückt machte: Jedes Fenster im Haus mit zirka siebenundfünfzig Metern Stoff zugehängt, gerafft und gefältelt.
    Zwei Stehlampen flankierten einen zusammengeklappten Campingtisch hinter dem Sofa. Es gab ein Sortiment von Familienfotos, manche in verschnörkeltem Silber gerahmt, andere in Edelholz. Er nahm das größte Foto in die Hand, eine Aufnahme irgendwo am Strand. Ein älteres Paar, vermutlich Clares Eltern, saß auf einem Treibholzstamm, während eine jüngere Clare, in Shorts und

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