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Das Weisse Kleid Des Todes

Das Weisse Kleid Des Todes

Titel: Das Weisse Kleid Des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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Achttausend-Seelen-Städtchen. Ein schrecklicher, niederträchtiger, unwürdiger Gedanke kam Clare in den Sinn. Wenn nun doch Geoff Burns Katie auf dem Gewissen hatte? Sie sah die Schlagzeilen direkt vor sich. Jede Zeitung im Osten des Bundesstaates New York würde es verkünden: Pfarreimitglied von St. Alban’s ermordet Mutter von Adoptivsohn! Und darunter in kleineren Buchstaben: Pastorin kämpfte für Adoption durch Mörder! Sie schüttelte den Kopf. Nein. Sie kannte den Geoff-Burns-Typ. Alles Feuer brach sofort heraus und hinterließ nichts Gefährlicheres als ein mürrisches Brummen.
    »Ich glaube, wir müssen Chief Van Alstynes Ermittlungen abwarten, bevor wir irgendeine Vermutung über Katies Mörder anstellen können«, erwiderte sie. »Hast du Katie McWhorter gekannt, Anderson?«
    Der Junge schlang einen schlaksigen Arm um die Rücklehne des Stuhls, auf dem seine Mutter saß. »Nein, nicht richtig. Ich wusste, wer sie ist, weil sie in der Hochbegabtengruppe war wie ich, aber ein Jahr über mir.«
    »Die Millers Kill High School ist ja auch groß«, sagte Doktor Anne. »Die Kinder von hier, von Cossayaharie und von Fort Henry gehen dorthin.«
    »Die anderen aus der Oberstufe kenne ich fast alle«, fügte Anderson hinzu und schlug sich plötzlich mit der Faust auf die Stirn. »Au, Mann, ich hätte wissen müssen, dass Alyson übertreibt. Sie macht so einen auf ›Der Mittelpunkt bin ich und sonst keiner‹. Ich glaube, die ist immer noch angefressen, weil sie letzten September nicht zur Schulsprecherin gewählt wurde. Also tut sie jetzt wie ›Ethan ist O.J. Simpson, und ich hab ihn zur Strecke gebracht‹.« Er sah zu seiner Mutter. »Die hat nie geschnallt, dass sie letztes Jahr nur deshalb voll angesagt war, weil sie mit Wesley ging. Jetzt schmeißt sie sich an die Sportskanonen und die Intelligenzbestien ran –«
    »Anderson ist eine Sportsbestie. Er schlägt gern Köpfe ein«, unterbrach Doktor Anne.
    »– und alle machen einen auf: ›Geh zurück zu deinen Boutiquen-Tussis, Alyson.‹«
    »Brauchen Sie einen Dolmetscher?« Doktor Anne lächelte schief.
    »Ich glaube, den Kern habe ich erfasst«, antwortete Clare.
    »›Wesley‹, das ist Wesley Fowler, der Wunderknabe.«
    »Ma!«
    »Schon gut, schon gut. Wes ist ein absolut netter Junge, der dir letztes Jahr bei den Theaterinszenierungen geholfen hat, wo ihr zusammen aufgetreten seid, einschließlich dem Musical, in dem er natürlich die Hauptrolle spielte.« Sie neigte sich zu einer betont diskreten Bemerkung Clare zu. »Ich nehme an, er kann nichts dafür, dass sein Vater eine goldene Statue von ihm im Garten hat aufstellen lassen.«
    »Ma!«
    Doktor Anne lachte. »Ich für mein Teil praktiziere in der Kindererziehung die traditionelle chinesische Methode: Nie was Nettes über sie sagen. So werden böse Geister nicht auf sie aufmerksam.« Sie legte einen Arm um Andersons Taille und drückte den Jungen an sich.
    »Ma, du bist so krass«, sagte er. Dann nahm er wieder seine Kanne, um in Richtung Küche zu schlendern.
    »Das heißt auf Siebzehnjährig ›Ich hab dich lieb‹«, erklärte seine Mutter.
    Clare lachte. »Er ist ein netter Kerl. Sie sind bestimmt sehr stolz auf ihn.«
    »Sehr«, bekräftigte Doktor Anne und beugte sich zu Clare vor. »Also, Reverend, haben Sie Einblick in diesen Mordfall? Da Sie ja der Polizei helfen.«
    Clare schüttelte den Kopf. »Ich weiß auch nicht viel mehr als Sie. Ich bin sicher, Ethan wird zur Befragung vorgeführt werden, aber ihn zu verhaften, davon ist Chief Van Alstyne noch himmelweit entfernt, denke ich.« Sie biss ein Stück Brötchen ab. »Kaum zu glauben, dass so etwas hier passiert ist, nicht wahr?«
    Doktor Anne schüttelte den Kopf. »Nach dreizehn Jahren als Notärztin in den Krankenhäusern von Washington County und Glens Falls habe ich viel zu viel gesehen, um zu glauben, dass, nur weil wir klein sind, hier eine heile Welt wäre. Kleinstädte leiden unter den gleichen Problemen wie die großen. Und statt eines Fremden ist der Übeltäter immer der Nachbar, der Ehemann oder der Freund. Das ist ja die Schwierigkeit – dass man nie irgendeinem ›anderen‹ die Schuld geben kann, wenn etwas Schreckliches geschieht. Dieser ›andere‹ ist immer einer von uns.«

11
    A ls mitten in einer von Mrs. DeWitts weitschweifigen Geschichten über die Depressionszeit Clares Pager piepte, rechnete sie damit, dass es das Krankenhaus war. Sie war an diesem Dienstag Notseelsorger und für die geistlichen

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