Das Weisse Kleid Des Todes
dem Staub machen könnte?«
Russ schüttelte den Kopf. »Ethans ganzes Leben spielt sich hier ab und nirgendwo sonst. Ich wette, der war noch nie weiter als auf ’nem Klassenausflug nach New York City. Wo sollte er denn hin?«
12
M r. McWhorter, Karen und Geoff können Ihre Probleme nicht lösen. Aber sie können Ihnen helfen, weitere Probleme zu vermeiden.« Clare holte tief Luft und dachte an den Mittwochmittaggottesdienst, den sie in ein paar Stunden halten würde. Diese Aussicht schenkte ihr etwas Gelassenheit. Die Burns rutschten unruhig auf Clares kleinem Bürosofa herum und sahen sie mit finsterer Miene an. Offenkundig waren sie frustriert von McWhorters pausenlosem Lamento über seine Finanznöte sowie den Liebesbeteuerungen an seine gute Katie, »Gott hab sie selig«, und am Ende ihrer Geduld. Bislang hatte McWhorter es geschickt umgangen, Cody direkt gegen Geld anzubieten, aber der Wink mit dem Zaunpfahl war eindeutig. Karen und Geoff hatten kurz dargelegt, was Cody von ihnen Gutes bekommen könnte: ein erstklassiges Zuhause, Erziehung, Bildung, Liebe und Zuwendung, ja, selbst das Hündchen hinter dem Haus hatten sie erwähnt. McWhorter konterte, wie sehr sich der Junge seiner armen Großeltern schämen, wie er sein eigen Fleisch und Blut verachten und leugnen werde, wenn er in einer schäbigen Mietwohnung leben und am Ende des Monats, wo das Geld knapp wurde, Bohnen und Reis essen müsse.
Als Karen fragte, ob McWhorter denn Cody in dieser schäbigen Wohnung großziehen wolle, stimmte er eine Arie über »arme, aber ehrliche Herzen« an, die klang, als käme sie geradewegs aus Little Nell . Clare hatte Kristens Hand festgehalten, bis sie ihre Knochen fast zu zermalmen glaubte, während das Mädchen stammelnd von ihrem jahrelangen Missbrauch erzählte. Sie bewahrte die Ruhe nur, indem sie sich vorstellte, wie sie McWhorter mit einem Tritt die Kniescheibe zertrümmerte. Das war nicht sehr christlich, und sie war auch nicht stolz darauf, aber es ließ sich nun mal nicht ändern. Mit Zuckerbrot hatten sie es versucht. Nun wurde es Zeit für die Peitsche.
»Was für weitere Probleme?«, fragte McWhorter.
Clare stand aus ihrem Admiralssessel auf. »Ist Ihnen klar, wie viel die Erziehung eines Kindes heute durchschnittlich kostet, Mr. McWhorter?« Sie nahm mehrere Blätter von ihrem Schreibtisch. »Ich habe eine Dame aus der Gemeinde gebeten, ein paar Internet-Recherchen anzustellen, und sie fand etliche Websites, wo die Ausgaben für das erste Jahr aufgerechnet werden.« Sie reichte McWhorter eines der Papiere. »Sehen Sie sich das mal an. Windeln, Babynahrung, Arztbesuche. Das wird ein ziemlicher Batzen für ein Paar, das von Erwerbsunfähigkeits-und Altersrente lebt.«
Sie schob ihm ein zweites Blatt hin. »Hier die monatlichen Bezüge für Sie als Pflegeeltern. Liegen etwas unter den Ausgaben, nicht?«
Clare händigte McWhorter zusätzliche Papiere aus. »Falls Ihre Rente nicht weiter reicht, müssten Sie und Ihre Frau wohl wieder arbeiten gehen. Kinderkrippen und Babysitter sind teuer.« Sie gab ihm das nächste Blatt. »Hier die Durchschnittskosten für Säuglingsbetreuung im Dreistaaten-Gebiet.« Sie wandte sich an die Burns. »Mrs. DeWitt hat ihre Sache glänzend gemacht. Sie ist sehr gründlich.« Das Paar saß jetzt kerzengerade da und starrte sie mit dem gleichen Ausdruck unverhohlenen Staunens an. McWhorter blätterte stirnrunzelnd die Papiere durch.
»Sie werden eine große Verantwortung auf sich nehmen, Mr. McWhorter. Eine große, teure und zeitraubende. Und wir werden Ihnen ständig auf die Finger sehen.« Sie lächelte strahlend. »Wir alle hier in St. Alban’s fühlen uns Cody verbunden. Deshalb werden wir ihn im Auge behalten. Nicht nur Geoff und Karen, sondern die ganze Pfarrgemeinschaft. Wir werden immer mal reinschauen, wie es ihm geht, ihn unter die Lupe nehmen, wenn er im Lebensmittelladen, in der Bank oder beim Kinderarzt ist.« Sie konnte hören, wie sie in einen leicht schleppenden Virginia-Akzent abdriftete. »Auch Chief Van Alstyne interessiert sich für Cody, und ich wette, es wäre ihm eine Freude, jeden Tag mal die Polizei vorbeizuschicken. Wir werden unseren kleinen Cody alle im Visier behalten. Und beim ersten Anzeichen für Vernachlässigung oder Missbrauch hetzt Ihnen einer von uns das Jugendamt auf den Hals.«
»Hey!« McWhorter zerknüllte das Papier in seiner Hand. »Wollen Sie damit andeuten, ich würde das Kind schlagen oder verhungern lassen, was in dieser
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