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Das weiße Mädchen

Das weiße Mädchen

Titel: Das weiße Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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erkennen ließen, dass die Anlage in Betrieb war. Die nächste Tür führte lediglich zu einem winzigen Verschlag von der Größe eines Besenschrankes, in dem sich die Sicherungskästen befanden. Lea erwog gerade, die Treppe zum Erdgeschoss hinaufzusteigen, als ihr eine weitere Tür am entgegengesetzten Ende des Korridors auffiel. Sie war hölzern und mit Schnitzarbeiten verziert, wodurch sie sich auffallend von den Stahltüren der übrigen Räume unterschied.
    Das muss ein älterer Teil des Kellers sein,
dachte Lea,
aus Zeiten, als noch Pferdekutschen auf den Straßen fuhren.
Sie ging zum Ende des Korridors, drückte die gusseiserne Klinke herab und öffnete die Tür.
    Sie wurde nicht enttäuscht: Eine kurze Treppe führte in ein tiefer gelegenes Kellergewölbe, dessen Wände gemauert waren, während der Boden aus gestampftem Lehm bestand. Glücklicherweise war auch hier elektrisches Licht installiert worden. Der Schalter befand sich gleich neben dem Treppenabsatz. Als die Glühbirne aufflammte, erblickte Lea einen weitläufigen Raum, der im Gegensatz zum oberen Teil des Kellers mit Unmengen von Gerümpel zugestellt war. Ausrangierte Möbelstücke säumten die Wände, darunter Tische, Stühle, Schränke und Vitrinen, ein mannshoher Spiegel mit barockem Goldrahmen und eine Holztruhe mit eisernen Beschlägen. Neben einer Staffelei türmten sich Dutzende von Keilrahmen mit Ölgemälden.
    Lea stieg die Treppe hinab und musterte die Bilder. Es waren Landschaftsgemälde, mehrheitlich Feld- und Waldansichten mit leuchtenden Blumen und stimmungsvollen Sonnenuntergängen. Jedes Bild zeigte am rechten unteren Rand eine Signatur:
M.   Herf.
    Ich wusste es,
dachte Lea.
Das sind die Hinterlassenschaften der Herforths. Schließlich gab es keine Erben, die
sich um den Nachlass kümmern konnten. Daher hat der neue Besitzer einfach alles in den Keller geschafft.
    Neugierig ging sie von einem Möbelstück zum nächsten, öffnete die Schränke, zog Schubladen aus Kommoden und klappte auch die schwere Holztruhe auf. Sie fand muffig riechende, altmodische Kleider, einen Stapel zusammengefalteter Tischdecken, Tafelgeschirr, einige Dutzend Bücher und gebündelte Papiere. Eine Vitrine enthielt mehrere Pokale, deren Beschriftung verriet, dass es sich um Preise von Katzenausstellungen handelte. In den Schubladen unter der Glasfläche türmten sich Stammbäume und Impfpässe der Tiere nebst einigen großformatigen Fotoalben. Lea hob eines der Alben heraus, blätterte und fand Porträtaufnahmen Dutzender Katzen, jedes mit Namen versehen und liebevoll mit Farbstiften umrahmt. Eines der Fotos zeigte einen schwarzen Kater namens »Smoky« in den Armen eines etwa zwölfjährigen Mädchens.
    Lea verharrte und blickte in das hübsche Gesicht, das noch keine Spur von weißer Schminke oder dunklem Lidschatten zeigte. Christine sah aus wie ein ganz normales Mädchen, trug eine pinkfarbene Bluse und strahlte in die Kamera. Ihre Verwandlung in das Gothic-Girl mit der schwarzen Mähne und dem ernsten, beinahe düsteren Blick schien einer späteren Entwicklungsphase anzugehören.
     
    Unvermittelt riss ein Geräusch Lea aus ihrer Betrachtung: Es klang, als schlüge irgendwo oben im Haus eine Tür zu. Sie erstarrte, das Album in den Händen, und lauschte angespannt. Einen Moment lang blieb alles ruhig, dann jedoch tappten Schritte auf der Treppe zum Erdgeschoss.
    Oh mein Gott   … Nein!
    Lea besaß gerade noch genug Geistesgegenwart, um das Album in die Schublade zurückzulegen, statt es an Ort und Stelle fallen zu lassen. Rasch huschte sie die Stufen zur Tür hinauf, erreichte den Korridor und versuchte sich hektisch zu erinnern, welche Tür zu dem Raum mit dem offenen Fenster geführt hatte. Doch es war zu spät: Wiederum knarrte die Treppe am anderen Ende des Gangs, und plötzlich flammte die Deckenbeleuchtung auf.
    Lea tat das Einzige, was ihr unter diesen Umständen übrig blieb: Sie zog sich in das Kellergewölbe zurück, schloss die Holztür von innen und blickte sich fieberhaft nach einem Versteck um. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sich neben der Vitrine eine weitere Tür befand, die kaum mannshoch war und vermutlich zu einem Vorratsraum gehörte. Rasch löschte sie das Licht und tastete sich hinüber. Ihre Finger fanden die Tür, die zum Glück nicht verriegelt war und nur leise knarrte, als sie hindurchschlüpfte. Ein muffiger Geruch umfing Lea und sie vermutete, dass sie sich in einem uralten Kartoffelkeller befand. Die Luft war kühl und

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