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Das weiße Mädchen

Das weiße Mädchen

Titel: Das weiße Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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sie nur ein- oder zweimal in der Woche, und in der Zwischenzeit steht das Haus tatsächlich leer.
    Während sie darüber nachdachte, musterte Lea den Drahtzaun. Darüberzuklettern war unmöglich, dazu war er eindeutig zu hoch. Sie erschrak fast bei der Erkenntnis, dass sie nach einem Weg in den Hof suchte.
    Willst du wirklich dort hinein? Lea, das ist Hausfriedensbruch!
    Eine Zeitlang ging sie unschlüssig am Zaun entlang, umrundete das Grundstück zur Hälfte. Die Rückseite des Wohnhauses kam in Sicht, während die Scheune aus Leas Blickfeld verschwand. An dieser Stelle war der Zaun dem Haus viel näher und nur durch einen verwilderten Garten von den Souterrainfenstern getrennt, die zu ebener Erde lagen. Lea blieb stehen und spähte hinüber. Alle Fenster waren geschlossen, die Rahmen verwittert und teilweise von Spinnweben überzogen. Eines jedoch, das Fenster ganz in der Mitte, war einen Spaltbreit geöffnet.
    Erschrocken fuhr Lea herum, als sie hinter sich ein Rascheln vernahm. Das Herz stockte ihr vor Schreck, undinstinktivpresste sie sich mit dem Rücken gegen den Zaun. Etwas Dunkles, Vierbeiniges schoss an ihr vorbei und streifte um Haaresbreite ihren Knöchel.
    Nur eine Katze,
erkannte sie aufatmend. Dann sah sie zu ihrem Erstaunen, dass das Tier am Fuß des Zauns im Gebüsch verschwand und im nächsten Moment auf der anderen Seite wieder auftauchte. Kurz beleuchtete der Mond das gescheckte Fell und die spitzen Ohren, dann huschte die Katze zum angelehnten Kellerfenster und schlüpfte ins Haus.
    So ist das also,
dachte Lea.
Die Katzen der Herforths mögen verwildert sein, aber ihre Nachkommen gehen hier immer noch ein und aus. Offenbar gibt es jemanden, der ihnen buchstäblich eine Hintertür offen hält.
    Sie ging in die Knie und prüfte den Zaun. Tatsächlich war das Maschengitter im unteren Drittel von einem der Metallpfeiler abgelöst und umgebogen, sodass ein dreieckiger Durchgang entstand.
    Groß genug,
befand Lea. Ohne Zögern ließ sie sich am Boden nieder und schob sich langsam vorwärts. Die Öffnung war klein, und so war sie gezwungen, sich tief zu ducken und unter dem Zaun hindurchzurobben. Mit schmutzigen Kleidern kam sie schließlich wieder auf die Beine und stand nun im Garten des Hauses.
    Jetzt bin ich wirklich eine Einbrecherin. Ist die Sache das Risiko wert? Was suche ich hier überhaupt?
    Sie konnte sich die Fragen nicht mit Bestimmtheit beantworten. Worin auch immer ein Beweis für die Richtigkeit ihres Verdachts bestehen mochte, sie würde es wissen, wenn sie ihn gefunden hatte. Einstweilen jedenfalls war das geöffnete Fenster eine Versuchung, der sie nicht widerstehen konnte.
    Obwohl sie davon ausging, dass das Haus leer war, schlich Lea auf Zehenspitzen zur Rückwand, duckte sichins Gras und tastete nach dem Fenster. Wie sich herausstellte, war es mit einem altmodischen Metallriegel in seiner Stellung fixiert, der sich leicht von außen erreichen ließ. Lea hakte den Riegel aus, schob das Fenster weiter auf und ließ sich mit den Beinen voran ins Innere des Hauses gleiten. Ihre Füße trafen auf nackten Betonboden. Für einen Moment war sie nahezu blind, denn während draußen der Mond geleuchtet hatte, war sie nun von vollkommener Finsternis umgeben. Vorsichtig tastete sie sich an der Wand voran, in der Hoffnung, einen Lichtschalter zu finden.
    Vielleicht gibt es gar keinen,
sagte eine ungebetene Stimme in ihrem Inneren.
Vielleicht ist sogar der Strom abgestellt. Schließlich steht dieses Haus seit Jahren leer.
    Vorsichtig tastete sie sich voran.
    Bitte, bitte   … Licht!
    Endlich: ein Türrahmen und gleich daneben ein Kippschalter. Lea legte ihn um, und zu ihrer Erleichterung flammte eine nackte Deckenbirne auf. Blinzelnd orientierte sie sich und erkannte, dass der Raum nicht viel mehr als eine Abstellkammer war, ein Würfel aus Gussbeton ohne jegliches Mobiliar. An einer Wand stand eine grüne Plastikwanne, aus der ein Wischmob hervorragte, und in einer Ecke neben dem Fenster war ein Napf mit Katzenfutter platziert. Die einzige Tür des Raums wurde durch einen Stopper aus Schaumstoff spaltbreit offen gehalten.
    Perfekter Service für Katzen
, dachte Lea.
Sie können jederzeit herein und hinaus.
    Vorsichtig schob sie die Tür auf und gelangte in einen Korridor, an dem sich weitere Türen und ganz am Ende eine Treppe zum Erdgeschoss befanden. Aufs Geratewohl öffnete sie eine der Türen und entdeckte einen mannshohen Heizkessel, dessen Armaturen durch ein schwachesrotes Licht

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