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Das Weltgeheimnis (German Edition)

Das Weltgeheimnis (German Edition)

Titel: Das Weltgeheimnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas de Padova
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Briefwechsel wieder.
    Die beiden Mathematiker trennt dabei wohl nicht nur ihre unterschiedliche Arbeitsweise und Denkart, die für Galilei aus Keplers erstem Buch ersichtlich wird. Auch das Gravitationsfeld der Kirche ist kaum stark genug, um die beiden Fachkollegen gleich wieder auseinanderzureißen, nachdem sie gerade ihr gemeinsames Interesse an einem so bedeutenden Forschungsthema entdeckt haben. Es sind vielmehr zutiefst menschliche Beweggründe, Ängste und Leidenschaften, die einer Kooperation oder auch nur einer Annäherung zu diesem Zeitpunkt im Wege stehen.
    Ihre missglückte Kommunikation ist geradezu typisch: Anstatt gemeinsam den eigentlichen Widerständen gegen eine reifende Erkenntnis entgegenzutreten, machen sich progressive Denker das Leben oft gegenseitig schwer. Kepler hat im Eifer eine Tür eingerannt, die erst einen Spalt weit offen stand. Vielleicht sitzt bei Galilei schon das Gefühl, sich entblößt zu haben, tief genug, um dem deutschen Forscher fortan aus dem Weg zu gehen. Er wird sich in den nächsten dreizehn Jahren gar nicht mehr zu Kopernikus äußern. Erst seine Entdeckungen mit dem Fernrohr liefern ihm völlig unerwartet ein so umfangreiches und anschauliches Beweismaterial, dass er meint, nun könnte sich niemand mehr der neuen Theorie entgegenstellen.
    Wissenschaft im Haifischbecken
    Für Kepler ist Galileis Schweigen irritierend, vielleicht sogar beunruhigend. Aus seiner Korrespondenz der folgenden Jahre geht hervor, wie sehr ihm daran gelegen ist, den abgerissenen Faden wieder aufzunehmen.
    Im Sommer 1599 zum Beispiel lässt er Galilei über den Engländer Edmund Bruce grüßen, der zu dieser Zeit in Padua lebt und, wie Galilei, des Öfteren Gast in Pinellis Salon ist. In einem Brief an Bruce drückt Kepler seine Verwunderung darüber aus, keine Antwort mehr von Galilei erhalten zu haben. Diesmal versucht er, Galilei über ein anderes wissenschaftliches Thema zu ködern: die Magnettheorie. Auf eine Rückmeldung wartet er jedoch vergeblich.
    Ein paar Jahre später schreibt ihm derselbe Bruce, Galilei habe das Weltgeheimnis inzwischen nicht nur gelesen, der Paduaner Professor trage Keplers Entdeckungen seinen Zuhörern sogar als die eigenen vor. Keplers prompte Reaktion auf die Anschuldigungen ist wiederum bezeichnend für ihn: Er halte Galilei mitnichten zurück, seine Arbeit für sich in Anspruch zu nehmen. Erneut lässt er Galilei Grüße ausrichten, im selben Atemzug jedoch auch dem Bologneser Mathematikprofessor Giovanni Antonio Magini, dem Bruce näher steht und der in dieser Angelegenheit möglicherweise seine Finger im Spiel hat.
    Ob er den Abbruch des Briefwechsels auch seiner eigenen Unbesonnenheit zuschreibt, ist nicht bekannt. Aber nur wenige Wochen nach dem Brief an Galilei hinterfragt Kepler seine Leidenschaften und reflektiert über sein Ungestüm, das ihn sein ganzes bisheriges Leben begleitet hat. Grund dafür sind die Sterne, genauer: »Merkur im Quadrat zu Mars«. Wegen seiner Jähheit und Begierde falle ihm schneller etwas zu sagen ein, »als er genau überlegen kann, als gut ist«, so Kepler über sich selbst. »Daher redet er andauernd unbedacht, daher schreibt er nicht einmal einen Brief gut aus dem Stegreif.« Nach einer kleinen Korrektur füge sich alles zum Besten, schiebt er mildernd nach.
    Von nun an muss sich Kepler häufiger korrigieren. Denn während sein eigenes Wissenschaftsideal der offene und freie Gedankenaustausch ist, hat er es in der Gelehrtenwelt mit vielen eitlen, leicht reizbaren Naturen zu tun, die ihre Deutungshoheit und jeden noch so kleinen Wissensvorsprung wahren möchten.
    In was für ein Haifischbecken er geraten ist, stellt er noch im selben Jahr nach einem an sich harmlosen Schreiben an den kaiserlichen Mathematiker Nicolai Reymers Bär, genannt Ursus, fest. Der peinliche Vorfall führt ihm vor Augen, was passieren kann, wenn Briefe zweckentfremdet und mir nichts, dir nichts in einem neuen Zusammenhang veröffentlicht werden.
    Kepler hat Ursus in höchsten Tönen gelobt, ohne zu ahnen, dass dieser mit dem berühmten Astronomen Tycho Brahe so verfeindet ist, dass Brahe einen Prozess gegen Ursus anstrebt. Ohne Keplers Wissen druckt Ursus genau diesen Brief in seinem Buch ab, und Kepler wird nun von Brahe vorgeworfen, Ursus über alle Mathematiker seiner Zeit, und damit auch über ihn selbst, gestellt zu haben. Durch seine unbedachte Äußerung wird Kepler in Prioritätsstreitigkeiten hineingezogen, die ihn eigentlich gar nichts

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