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Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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die Sache ist richtig!« rief er. »Dieses Gemälde da, das sollst du sehen, das wird den Erfolg bringen.«
    Sie schwieg, sie dachte an die Begegnung, die sie gehabt hatte und die sie ihm verschweigen wollte; aber unbezwinglich kam das ohne eigentlichen Grund, ohne Übergang, in dieser seltsamen Benommenheit, die sie befallen hatte, über ihre Lippen:
    »Frau Vanzade ist tot.«
    Er wunderte sich. Ach, wirklich! Wie hatte sie es denn erfahren?
    »Ich habe den früheren Kammerdiener getroffen … Oh, ein feiner Herr jetzt, sehr munter, trotz seiner siebzig Jahre. Ich habe ihn gar nicht erkannt, er hat mich angesprochen … Ja, sie ist vor sechs Wochen gestorben. Ihre Millionen sind an Krankenhäuser gefallen, mit Ausnahme eines Jahresgeldes, das die beiden alten Dienstleute heute als Kleinbürger verzehren.«
    Er sah sie an, er murmelte schließlich mit trauriger Stimme:
    »Meine arme Christine, du bereust es, nicht wahr? Sie hätte dir eine Mitgift gegeben, sie hätte dich verheiratet, ich habe dir das ja schon damals gesagt. Du wärest vielleicht ihre Erbin geworden, und du brauchtest nicht Hunger zu leiden bei so einem verdrehten Kerl, wie ich einer bin.«
    Aber da schien sie zu erwachen. Sie rückte ungestüm ihren Stuhl näher heran, sie legte einen Arm um ihn, schmiegte sich an ihn in völliger Hingabe ihres ganzes Wesens.
    »Was sagst du da? O nein, o nein … Das wäre eine Schande, wenn ich an ihr Geld gedacht hätte. Ich würde es dir gestehen, du weißt, daß ich nicht lügen kann, aber ich weiß selber nicht, was über mich gekommen ist, Bestürzung, Traurigkeit, ach, siehst du, eine solche Traurigkeit, daß ich glaubte, alles würde für mich bald zu Ende sein … Das sind zweifellos Gewissensbisse, ja, Gewissensbisse, weil ich sie so roh verlassen habe, diese arme, sieche Frau, die Frau, die schon so alt war und die mich ihre Tochter nannte. Das war schlecht von mir, das wird mir kein Glück bringen. Sag nicht nein, ich spüre das ganz deutlich, daß es hinfort für mich zu Ende ist.« Und sie weinte, schier erstickt von dieser verworrenen Reue, die sie sich selber nicht erklären konnte, und hatte einzig und allein die Empfindung, daß ihr Dasein verpfuscht sei, daß sie nur noch Unglück im Leben zu erwarten hatte.
    »Laß nur, wisch dir die Tränen ab«, fing er an, der ganz zärtlich geworden war. »Ist es denn die Möglichkeit, daß du, die du immer gute Nerven hattest, dir Grillen in den Kopf setzt und dich derartig quälst? – Zum Teufel, wir werden schon aus der Patsche herauskommen! Und überhaupt, du weißt ja, daß du mich mein Bild hast finden lassen … Na, auf dir kann doch kein Fluch liegen, wo du mir doch Glück bringst.«
    Er lachte, sie nickte, weil sie deutlich merkte, daß er sie zum Lächeln bringen wollte. Sie litt jetzt schon unter seinem Bild; denn dort auf der Brücke hatte er sie vergessen, als habe sie aufgehört, ihm zu gehören; und seit gestern fühlte sie, wie er sich immer mehr von ihr entfernte, irgendwohin, in eine Welt, in die sie nicht aufsteigen konnte. Aber sie ließ sich trösten, sie tauschten einen Kuß, einen Kuß wie einst, bevor sie vom Tisch aufstanden, um zu Bett zu gehen.
    Der kleine Jacques hatte nichts gehört. Dösig geworden in seiner Reglosigkeit, war er eingeschlafen, die Wange immer noch auf seinem Bilderbuch; und sein dicker Kopf, der Kopf eines Kindes, das nicht ganz richtig ist, war mitunter so schwer, daß er ihm den Hals beugte; jetzt sah er ganz bleich aus im Lampenschein. Als seine Mutter ihn zu Bett brachte, schlug er nicht einmal die Augen auf.
    Erst zu dieser Zeit kam Claude auf den Gedanken, Christine zu heiraten. Er folgte dabei den Ratschlägen von Sandoz, der sich über eine so unnütze Ordnungswidrigkeit wunderte, und gehorchte dabei vor allem einem Mitleidsgefühl, dem Bedürfnis, gut zu ihr zu sein und sich so Verzeihung für seine Fehler zu erwirken. Seit einiger Zeit sah er, wie traurig sie war, wie besorgt um die Zukunft, und er wußte nicht, was für eine Freude er ihr bereiten sollte, um sie aufzuheitern. Er wurde selber verbittert, hatte wieder seine Wutausbrüche von einst, behandelte sie mitunter wie eine Magd, der man alle acht Tage kündigen kann. Als sein ehelich angetrautes Weib würde sie sich zweifellos mehr zu Hause fühlen und weniger unter seinen Schroffheiten leiden. Übrigens hatte sie nicht wieder von der Heirat gesprochen, war gleichsam losgelöst von der Welt und von einer Zurückhaltung, die diese Entscheidung

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