Das Werk - 14
dem Salon eingereicht?«
»Ach, ja, Gott sei Dank! Was für Leute alles zu mir gekommen sind! Einer gab dem andern die Klinke in die Hand, so daß ich acht Tage lang von morgens bis abends auf den Beinen war … Ich wollte eigentlich gar nicht ausstellen, das schadet dem Ansehen. Auch Naudet war dagegen. Aber was soll man machen? Ich bin so darum gebeten worden, alle jungen Leute wollen mich in die Jury bringen, damit ich mich für sie einsetze … Oh, mein Bild ist recht anspruchslos, ›Ein Frühstück‹, wie ich das genannt habe, zwei Herren und drei Damen unter Bäumen, die Gäste von einem Schloß, die einen Imbiß mitgebracht haben und ihn in einer Lichtung verzehren … Du wirst ja sehen, das ist ziemlich originell.« Seine Stimme zögerte, und als er Claudes Blick, der ihn starr ansah, begegnete, geriet er vollends in Verwirrung, er scherzte über das kleine Gemälde, das auf der Staffelei stand. »Das hier ist eine Schweinerei, um die Naudet mich gebeten hat. Du kannst mir glauben, ich weiß sehr wohl, was mir fehlt, ein bißchen von dem, was du zuviel hast, Alter … Ich, du weißt, ich habe dich immer noch gern, ich habe dich erst gestern bei andern Malern in Schutz genommen.«
Er klopfte Claude auf die Schultern, er hatte die geheime Verachtung seines ehemaligen Meisters gespürt, und er wollte ihn zurückgewinnen mit seinen Schmeicheleien von einst, mit den Liebkosungen einer Hure, die »Ich bin eine Hure« sagt, damit man sie liebt. Es war ganz aufrichtig gemeint, als er ihm in einer Art besorgter Ehrerbietung noch versprach, sich mit allem, was er vermochte, für die Annahme seines Bildes einzusetzen.
Aber es stellten sich Besucher ein; mehr als fünfzehn Personen kamen und gingen in noch nicht ganz einer Stunde: Väter, die junge Schüler herbrachten; Aussteller, die kamen, um sich in Empfehlung zu bringen; Kumpels, die Einfluß hatten und sich erboten, diesen für ihn geltend zu machen, wenn er sich mit seinem Einfluß für sie verwendete; sogar Frauen, die ihr Talent unter den Schutz ihrer Reize stellten. Und das mußte man sehen, wie der Maler da als Kandidat auftrat, indem er mit Händedrücken nicht sparte, zu dem einen sagte: »Ihr Bild dieses Jahr ist so hübsch, das gefällt mir dermaßen gut!«, sich bei einem anderen wunderte: »Was? Sie haben noch keine Medaille bekommen!« und immer wieder zu allen sagte: »Ach, wenn ich was zu sagen hätte, wie würde ich die alle auf Trab bringen!« Die Leute waren entzückt, wenn er sie wieder entließ, hinter jedem Besuch machte er die Tür mit einer Miene äußerster Liebenswürdigkeit zu, unter der das geheime Grinsen des die Nuttenreviere abklappernden Rumtreibers von einst zum Vorschein kam.
»Na, was meinst du?« sagte er zu Claude, als sie einen Augenblick wieder allein waren. »Was für Zeit ich mit diesen Idioten verliere!«
Aber als er ans Atelierfenster trat, öffnete er jäh einen Flügel, und man konnte auf der anderen Seite der Avenue auf einem der Balkone des Hauses gegenüber eine weiße Gestalt, eine in einen Spitzenmorgenrock gekleidete Frau erkennen, die ihr Taschentuch hob. Er selber winkte dreimal. Dann schlossen sich die beiden Fenster wieder.
Claude hatte Irma erkannt; und in dem Schweigen, das eingetreten war, erklärte Fagerolles seelenruhig:
»Du siehst, das ist bequem, man kann sich verständigen … Wir verfügen über eine regelrechte Telegraphie für alles. Sie ruft mich, ich muß zu ihr … Ach, Alter, das ist eine, von der wir was lernen können!«
»Was denn?«
»Na, alles! Laster, Kunst, Verstand! – Soll ich dir sagen, daß sie mich zum Malen bringt! Ja, Ehrenwort, sie hat eine ungewöhnliche Witterung für das, was Erfolg bringt! – Und dabei im Grunde immer lausbubenhaft, oh, sie hat eine Drolligkeit, eine so spaßige Raserei, wenn es sie packt, es mit einem zu treiben.«
Zwei rote Flämmchen waren ihm in die Wangen gestiegen, während so etwas wie aufgewühlter Schlamm einen Augenblick seine Augen trübte. Die beiden hatten sich zusammengetan, seit sie in derselben Avenue wohnten; man erzählte sogar, daß er, der so gerissen war, mit allen Wassern des Pariser Pflasters gewaschen, sich von ihr ruinieren ließ, weil ihm alle Augenblicke irgendeine runde Summe abgezapft wurde, um die ihre Kammerzofe ihn bitten mußte, wegen eines Lieferanten, wegen einer Laune, oft wegen nichts, einzig und allein wegen des Vergnügens, ihm die Taschen zu leeren; und das erklärte zum Teil seine Geldknappheit, seine trotz
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