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Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Dann kamen die lustigen Streiche, tolle Scherze wurden plötzlich heraufbeschworen, über die man sich noch nach Jahren kugelte vor Lachen. Oh, der Morgen, da man die Schuhe von Totenmimi, auch das Stadtschülergerippe genannt, einem hageren Jungen, der Schnupftabak für die ganze Klasse hereinschmuggelte, im Ofen verbrannt hatte! Und der Winterabend, an dem man Streichhölzer von der Ewigen Lampe in der Kapelle gestohlen hatte, um aus Schilfrohrpfeifen getrocknete Kastanienblätter zu rauchen! Sandoz, der das Ding gedreht hatte, gestand nun ein, wie entsetzt er damals gewesen, wie ihm der kalte Schweiß ausgebrochen war, als er durch den in Finsternis getauchten Chor raste. Und der Tag, an dem Claude den schönen Einfall gehabt hatte, hinten in seinem Pult Maikäfer zu rösten, um zu sehen, ob so was gut schmeckte, wie allgemein gesagt wurde! Ein so scharfer Gestank, ein so dichter Qualm war aus dem Pult gedrungen, daß der Pauker zum Wasserkrug gegriffen hatte, weil er meinte, eine Feuersbrunst sei ausgebrochen! Und die Streifzüge, das Plündern der Zwiebelfelder beim Spaziergang; die Steine, mit denen man die Fensterscheiben einwarf, wobei es als besonders schick galt, wenn einem Löcher glückten, deren Umrisse wie aus der Erdkunde bekannte Landkarten aussahen; die Griechischlektionen, die im voraus in großen lateinischen Buchstaben an die Wandtafel geschrieben und von allen Faulpelzen fließend gelesen wurden, ohne daß der Lehrer etwas merkte; die Bänke vom Hof, die zersägt und dann in einem langen Leichenzug unter Trauergesängen wie die Opfer eines Aufstands um das Wasserbassin herumgetragen wurden. Ach ja, das war eine tolle Geschichte! Dubuche, der den Geistlichen machte, war in das Bassin gefallen, als er Wasser in seine Mütze schöpfen wollte, um ein Weihwasserbecken zu haben. Und das Komischste, das Beste war die Nacht, in der Pouillaud alle Nachttöpfe des Schlafsaals an ein und derselben Schnur, die unter den Betten hindurchging, festgebunden hatte und dann am Morgen, dem ersten Morgen in den großen Ferien, durch den Gang und die Treppen hinunter entfloh und dabei diesen hüpfenden und in Splitter zerstiebenden schrecklichen Steingutschwanz hinter sich herzog.
    Den Pinsel hoch erhoben, verharrte Claude, und den Mund vor Lachen aufgerissen, schrie er:
    »Dieser Tolpatsch, der Pouillaud! – Und er hat dir geschrieben? Was stellt er denn jetzt an, der Pouillaud?«
    »Überhaupt nichts, Alter!« antwortete Sandoz und setzte sich wieder auf seinen Kissen zurecht. »Sein Brief ist blöde! Er beendet sein Jurastudium, er wird dann die Anwaltspraxis seines Vaters übernehmen. Und wenn du den Ton merkst, den der schon an sich hat, ein richtiger Spießer, der sich mausert.«
    Es trat erneut Schweigen ein.
    Und Sandoz fügte hinzu:
    »Ja, siehst du, Alter, davor sind wir bewahrt worden.«
    Dann kamen ihnen andere Erinnerungen, solche, bei denen ihnen das Herz höher schlug, Erinnerungen an die schönen Tage in der freien Luft und in der Sonne, die sie dort unten außerhalb des Gymnasiums verlebt hatten. Schon in der Sexta, als sie noch ganz klein waren, hatten sich die drei Unzertrennlichen leidenschaftlich für lange Wanderungen begeistert. Die kürzeste Freizeit nutzten sie aus, gingen meilenweit, wagten sich immer weiter, je größer sie wurden, durchstreiften schließlich die ganze Gegend, machten richtige Reisen, die oft mehrere Tage dauerten. Und sie übernachteten, wie es der Zufall fügte, tief in einem Felsenloch, auf einer gepflasterten, noch brennendheißen Tenne, auf der ihnen das Stroh des gedroschenen Getreides ein weiches Lager war, in irgendeiner menschenleeren Hütte, deren Fliesenfußboden sie mit einer Schicht Thymian und Lavendel bedeckten. Das war ein Fliehen weit fort aus der Welt, ein instinktives Anschmiegen an den Busen der guten Natur, ein unsinniges Schwärmen kleiner Lausbuben für die Bäume, die Wasser, die Berge, für diese grenzenlose Freude, allein und frei zu sein.
    Dubuche, der im Internat wohnte, schloß sich den beiden anderen nur in den Ferientagen an. Er war übrigens nicht gut zu Fuß und körperlich träge, wie das oft bei Musterschülern der Fall ist. Aber Claude und Sandoz wurden des Wanderns nicht müde, jeden Sonntag weckten sie einander schon um vier Uhr morgens, indem sie Kieselsteine an die Fensterläden warfen. Vor allem im Sommer träumten sie von der Viorne, dem Wildbach, dessen schmales Band die niedrig gelegenen Wiesen von Plassans durchfloß. Mit knapp

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