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Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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ist trotzdem großartig, eine ausgezeichnete Malerei! – Ja, ich weiß, du hattest dir was anderes erträumt. Zum Teufel, du bist ja noch nicht gestorben, das wird dann eben später sein … Und schau doch, du solltest stolz sein, denn du bist der wahre Triumphator des Salons in diesem Jahr. Nicht nur Fagerolles plündert dich, alle ahmen dich jetzt nach, du hast sie umgekrempelt seit deinem Bild ›Im Freien‹, über das sie so sehr gelacht haben … Schau doch, schau doch, da ist wieder einer, der was von deinem Bild ›Im Freien‹, hat, da ein anderer, und hier, und dort drüben, alle, alle!«
    Er deutete auf Gemälde, während sie so durch die Säle gingen. Tatsächlich, da erglänzte endlich die scharfe Helligkeit, die nach und nach in die zeitgenössische Malerei eingedrungen war. Der Salon von früher, der schwarz und wie in Pech gekocht war, hatte einem besonnten Salon voller Frühlingsfröhlichkeit Platz gemacht. Das war die Morgenröte, der neue Tag, der einstmals im Salon der Abgelehnten angebrochen war und der jetzt heraufzog, die Werke mit einem feinen, verschwommenen, in unendlich viele Abstufungen zerfallenen Licht verjüngte. Überall fand sich dieses Erblauen wieder, sogar in den Porträts und in den Genreszenen, erhoben zu den Ausmaßen und dem Ernst der Geschichte. Auch die alten akademischen Themen waren weg samt den aufgekochten Säulen der Tradition, als habe die der Verdammung anheimgefallene Lehre ihr Volk von Schatten mitgenommen; die Phantasiegebilde wurden selten, die leichenhaften Nacktheiten der Mythologien und des Katholizismus, die glaubenslosen Legenden, die leblosen Anekdoten, der ganze von Generationen von Schlauköpfen oder Dummköpfen der Ecole des BeauxArts verbrauchte Trödelkram; und bei den Zurückgebliebenen mit den uralten Rezepten, ja sogar bei den veralteten Meistern war der Einfluß offensichtlich, der Sonnenstrahl war da durchgegangen. Von ferne sah man bei jedem Schritt, wie ein Bild die Mauer durchlöcherte, ein Fenster nach draußen aufstieß, denn die Bresche war breit, der Sturmangriff hatte in dieser fröhlichen Schlacht der Kühnheit und der Jugend die Routine hinweggerissen.
    »Ach, dein Anteil ist doch noch sehr schön, Alter!« fuhr Sandoz fort. »Die Kunst von morgen wird deine Kunst sein, du hast sie alle gemacht.«
    Da brachte Claude die Zähne auseinander, sagte sehr leise mit düsterer Grobheit:
    »Wie egal mir das ist, daß ich sie gemacht habe, wenn ich mich nicht selber gemacht habe! – Siehst du, das ist zu schwer für mich, und es nimmt mir die Luft zum Atmen.«
    Mit einer Handbewegung führte er seinen Gedanken zu Ende: seine Unfähigkeit, der Genius der Formel zu sein, die er mitbrachte, seine Qual als Vorläufer, der die Idee aussät, ohne den Ruhm zu ernten, seine Verzweiflung, sich bestohlen, aufgefressen zu sehen von den Pfuschern, einem ganzen Schwarm geschmeidiger Kerle, die sich in ihren Anstrengungen verzettelten, die die neue Kunst herunterbrachten, bevor er oder ein anderer die Kraft gehabt hätte, das Meisterwerk hinzustellen, das für dieses zu Ende gehende Jahrhundert epochemachend sein würde.
    Sandoz erhob Einspruch, die Zukunft liege noch frei vor ihm. Um ihn abzulenken, hielt er ihn dann an, als sie durch den Ehrensalon gingen.
    »Oh, diese Dame in Blau da vor diesem Porträt! Was für einen Hieb die Natur der Malerei versetzt! – Du erinnerst dich, wenn wir früher das Publikum betrachteten, die Toiletten, das Leben in den Sälen. Nicht ein Bild hielt demgegenüber stand. Und heute sind welche dabei, die gar nicht so übel sind. Mir ist da unten sogar eine Landschaft aufgefallen, deren gelbe Tönung die Frauen, die an sie herantraten, völlig ausstach.«
    Aber Claude zuckte in unsäglichem Leid zusammen.
    »Ich bitte dich, gehen wir, bring mich weg … Ich kann nicht mehr.«
    Im Restaurant hatten sie alle Mühe, einen freien Tisch zu finden. Es war eine Luft zum Ersticken und ein furchtbares Gedränge in dem geräumigen, düsteren Loch, das von braunen Sergebehängen unterhalb der Querbalken der eisernen Geschoßdecke abgeschlossen wurde. Hinten stuften, halb ertränkt von Finsternis, drei Buffets ihre Fruchtschalen symmetrisch übereinander, während weiter vorn an den Zahltischen rechts und links zwei Damen saßen, eine blonde und eine braune, die das Getümmel mit militärischem Blick überwachten; und aus den dunklen Tiefen dieser Grotte schäumte eine Woge von Marmortischchen, eine Flut von zusammengedrängten, ineinander

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