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Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Lärm um meinen diesjährigen Fagerolles veranstalten.«
    Bongrand, der tapfer zuhörte, obwohl er dabei litt, mußte leise lächeln.
    »Tatsächlich sind sie mit den Indiskretionen vielleicht ein bißchen weit gegangen … Gestern las ich einen Artikel, aus dem ich erfuhr, daß Fagerolles jeden Morgen zwei gekochte Eier ißt.« Er lachte über diesen rohen Trick der Reklame, die seit einer Woche dafür sorgte, daß sich Paris mit dem jungen Meister beschäftigte, nachdem ein Leitartikel über sein Bild, das noch niemand gesehen hatte, erschienen war. Die ganze Schar der Reporter hatte sich aufgemacht, man entkleidete ihn, berichtete über seine Kindheit, seinen Vater, den Fabrikanten von Kunstgegenständen aus Zinn, seine Studienzeit, wo er wohnte, wie er lebte, ja sogar über die Farbe seiner Socken, über seine seltsame Eigenart, sich in die Nasenspitze zu kneifen. Und er war die Leidenschaft des Augenblicks, der junge Meister nach dem Geschmack des Tages, der das Glück gehabt hatte, den Rompreis nicht zu bekommen und mit der Ecole des BeauxArts zu brechen, deren Kunstgriffe er beibehielt: Glück einer Saison, das der Wind bringt und wieder entführt, nervöse Laune der großen irren Stadt, Erfolg des Ungefähren, der perlgrauen Kühnheit, des Zufalls, der die Menge am Morgen außer Fassung brachte, um sich am Abend in der Gleichgültigkeit aller zu verlieren.
    Aber da fiel Naudet »Die Beerdigung auf dem Dorfe« auf.
    »Sieh mal einer an! Ist das Ihr Bild? – Und da haben Sie also ein Gegenstück zur ›Hochzeit‹ geben wollen? Ich, ich hätte Sie davon abgebracht … Ach! ›Die Hochzeit!‹ ›Die Hochzeit!‹«
    Bongrand hörte immer noch zu und lächelte weiter; nur eine schmerzliche Falte zerschnitt seine zitternden Lippen. Er vergaß seine Meisterwerke, die gesicherte Unsterblichkeit seines Namens, er sah nur noch die mühelose sofortige Beliebtheit, die diesem grünen Jungen zufiel, der nicht würdig war, ihm die Palette zu säubern, die ihn in die Vergessenheit stieß, ihn, der zehn Jahre gerungen hatte, bevor er bekannt wurde. Ach, wüßten doch diese neuen Generationen, wenn sie einen begraben, was für Bluttränen sie einen beim Sterben weinen lassen!
    Als er dann schwieg, befiel ihn die Angst, er habe sich sein Weh anmerken lassen. Sollte er in diese Niedrigkeit des Neides verfallen? Ein Zorn gegen sich selber richtete ihn wieder auf, man mußte stehend sterben. Und statt der heftigen Antwort, die ihm auf die Lippen stieg, sagte er vertraulich:
    »Sie haben recht, Naudet, ich hätte besser getan, mich an jenem Tage schlafen zu legen, an dem mir die Idee zu diesem Gemälde kam.«
    »Ach, da ist er ja, Verzeihung!« rief der Händler und entwischte.
    Es war Fagerolles, der sich am Eingang des Saales zeigte. Er kam nicht herein; zurückhaltend, lächelnd trug er sein Glück mit der Ungezwungenheit eines geistvollen Burschen. Übrigens suchte er jemand, er winkte einen jungen Mann zu sich heran und gab ihm eine Antwort, zweifellos eine glückliche, denn dieser letztere floß über vor Dankbarkeit. Zwei andere stürzten herbei, um Fagerolles zu beglückwünschen; eine Frau hielt ihn an und zeigte ihm mit den Gebärden einer Märtyrerin ein Stilleben; das im Schatten einer Nische hing. Dann verschwand er, nachdem er einen einzigen kurzen Blick auf das verzückte Volk vor seinem Bild geworfen hatte.
    Da spürte Claude, der das alles sah und hörte, wie Traurigkeit sein Herz ertränkte. Das Gedränge wurde immer stärker, in der unerträglich gewordenen Hitze hatte er nur noch Mund und Nase aufsperrende, schwitzende Gesichter vor sich. Über die Schultern hinweg stiegen andere Schultern empor bis zur Tür, von wo aus jene, die nichts sehen konnten, sich gegenseitig mit den Spitzen ihrer vom Platzregen draußen triefenden Regenschirme auf das Bild aufmerksam machten.
    Und Bongrand blieb aus Stolz da, stand ganz aufrecht in seiner Niederlage, unerschütterlich auf seinen alten Ringerbeinen, die klaren Blicke auf das undankbare Paris geheftet. Er wollte als tapferer Mann enden, dessen Güte umfassend ist.
    Claude, der zu ihm sprach, ohne eine Antwort zu erhalten, sah deutlich, daß hinter diesem ruhigen und heiteren Gesicht die Seele fort war, aufgeflogen in ihrer Trauer und blutend in einer gräßlichen Qual; und von einer erschrockenen Ehrfurcht ergriffen, drang er nicht weiter in ihn und ging, ohne daß Bongrand mit seinen leeren Augen das auch nur gewahrte.
    Wiederum trieb eine Idee Claude durch die

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