Das Werk - 14
Kaufwut hin; und er befriedigte dabei manch alten Jugendwunsch, manch romantischen Ehrgeiz aus der Zeit, als er die ersten Bücher gelesen hatte, so ausgiebig, daß sich dieser Schriftsteller, der so wild darauf war, als modern zu gelten, im wurmstichigen Mittelalter einquartierte und darin lebte, wie er es sich mit fünfzehn Jahren erträumt hatte. Zur Entschuldigung sagte er lachend, die schönen Möbel von heute seien zu teuer, während man bei den alten Sachen sofort den richtigen Stil und die richtige Farbgebung finde, selbst bei ganz gewöhnlichen. Er hatte gar nichts von einem Sammler an sich, ihm lag nur an der Ausstattung, an den großen Gesamtwirkungen; und wahrhaftig herrschten in dem von zwei alten Delfter Fayencelampen erhellten Salon sehr sanfte, warme, gedämpfte Farbtöne; die matten Goldschattierungen der Dalmatiken112, mit denen die Sitze bezogen waren, die vergilbten Intarsien der italienischen Fächerschränke und der holländischen Glasschränke, die verschwommenen Farben der orientalischen Portieren, die hundert feinen Abstufungen der Elfenbeinschnitzereien, der Fayencen, der Emailarbeiten, das alles war vom Alter verblaßt und hob sich von der neutralen dunkelroten Wandbespannung des Raumes ab.
Claude und Christine kamen als erste. Sie hatte ihr einziges schwarzes Seidenkleid angezogen, ein abgetragenes Kleid, das schon ganz hinüber war, das sie aber mit äußerster Sorgfalt für ähnliche Gelegenheiten instand hielt.
Sofort faßte Henriette ihre beiden Hände und zog sie auf ein Kanapee. Sie hatte sie sehr gern, sie erkundigte sich, was denn sei, als sie sah, wie seltsam sie war mit den unruhigen Augen in ihrem rührend blassen Gesicht. Was hatte sie denn? Tat ihr etwas weh?
Nein, nein, antwortete Christine, sie sei ganz munter, ganz glücklich, daß sie gekommen sei; und ihre Blicke schweiften immerzu zu Claude hinüber, wie um ihn zu mustern, und wandten sich dann ab.
Er wirkte aufgeregt, aus seinen Worten und Gebärden sprach eine solche Fiebrigkeit, wie er sie seit mehreren Monaten nicht mehr gezeigt hatte. Nur dann und wann legte sich die Aufregung, er verharrte schweigend, starrte mit weit aufgerissenen, glanzlosen Augen in eine ferne Leere auf irgend etwas, das ihn zu rufen schien.
»Ach, Alter«, sagte er zu Sandoz, »ich habe heute nacht deine Schwarte ausgelesen. Das ist aber toll, was du da schreibst, diesmal hast du ihnen tüchtig den Schnabel gestopft.«
Beide plauderten vor dem Kamin, in dem die Buchenscheite flammten. Der Schriftsteller hatte tatsächlich soeben einen neuen Roman herausgebracht; und obwohl die Kritik nicht die Waffe aus der Hand legte, erregte dieser letzte Roman jenes erfolgversprechende Aufsehen, das einen Menschen unter den anhaltenden Angriffen seiner Widersacher bestätigt. Übrigens machte er sich gar nichts vor, er wußte sehr wohl, daß die Schlacht, auch wenn sie jetzt gewonnen war, bei jedem seiner Bücher neu beginnen würde. Er kam voran mit der großen Arbeit seines Lebens, mit dieser Romanreihe, mit diesen Bänden, die er Schlag auf Schlag beharrlich und pünktlich unter das Publikum brachte, mit denen er auf ein Ziel, das er sich gesteckt hatte, zuschritt, ohne sich von irgend etwas, von Hindernissen, Schmähungen, Strapazen, unterkriegen zu lassen.
»Das stimmt«, antwortete er fröhlich, »dieses Mal werden sie zahmer! Es ist sogar einer dabei, der das ärgerliche Zugeständnis gemacht hat, daß ich ein anständiger Mensch bin. Da sieht man, wie alles verkommt! – Aber laß nur! Sie werden sich wieder fangen. Ich kenne welche, deren Schädel zu verschieden ist von meinem, als daß sie jemals meine literarische Formel, meine Sprachkühnheiten, meine physiologischen, sich unter dem Einfluß des Milieus entwickelnden Leutchen hinnehmen würden; und ich rede von den Kollegen, die was auf sich halten, ich lasse die Dummköpfe und die Schurken beiseite … Siehst du, um frisch draufloszuarbeiten, ist es das beste, weder auf Redlichkeit noch auf Gerechtigkeit zu warten. Um recht zu bekommen, muß man erst tot sein.«
Claudes Augen hatten sich jäh auf eine Ecke des Salons gerichtet, sie durchbohrten die Wand, gingen in die Ferne, wo ihn irgend etwas gerufen hatte. Dann trübten sie sich, sie kehrten zurück, und er sagte:
»Ach was, du redest für dich. Wenn ich verrecke, werde ich unrecht bekommen … Wie dem auch sei, dein Schmöker hat mich in ein verdammtes Fieber versetzt. Ich habe heute malen wollen – unmöglich! Ach, es ist noch
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