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Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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alles durchsucht; er schenkte ja alles weg, Leute bestahlen ihn. Nein, nichts zu verkaufen, nicht ein einigermaßen brauchbares Gemälde, nichts weiter als dieses ungeheure Gemälde, das ich selber kaputt gemacht und verbrannt habe, oh, von Herzen gern habe ich das getan, das versichere ich Ihnen, so wie man eine Rache vollzieht.«
    Sie schwiegen eine Weile. Die breite Landstraße nach SaintOuen führte geradeaus ins Unendliche; und jämmerlich und verloren bewegte sich inmitten der flachen Landschaft der kleine Zug diese Chaussee entlang, auf der sich ein Schlammstrom dahinwälzte. Ein Bretterzaun säumte sie zu beiden Seiten, unbebautes Gelände erstreckte sich rechts und links, nur in der Ferne waren Fabrikschornsteine, standen vereinzelt ein paar hohe weiße Häuser, schräg zur Straße. Der Trauerzug überquerte den Jahrmarkt von Clignancourt: auf beiden Seiten der Landstraße fröstelten Buden, Zirkuszelte, Pferdekarussells in der winterlichen Verlassenheit, leere Schankzelte, mit Grünspan überzogene Schaukeln, ein Bauernhof wie aus einer komischen Oper mit der Aufschrift »Zum picardischen Pachthof«, von düsterer Traurigkeit zwischen seinen losgerissenen Weingeländern.
    »Ach, seine früheren Gemälde«, fing Bongrand wieder an. »Die Sachen, die er am Quai de Bourbon gemacht hat, erinnern Sie sich? Ungewöhnliche Stücke! Na, die aus dem Süden mitgebrachten Landschaften und die bei Boudin angefertigten Aktstudien, Mädchenbeine, ein Frauenbauch, oh, dieser Bauch … Vater Malgras, der muß ihn haben, eine meisterhafte Studie, die nicht einer unserer jungen Meister zu malen imstande ist … Ja, ja, der Bursche war kein Dummkopf. Ganz einfach ein großer Maler!«
    »Wenn ich bedenke«, sagte Sandoz, »daß diese kleinen Gecken von der Ecole des BeauxArts und der Presse ihm Faulheit und Unwissenheit vorgeworfen haben, indem sie einer nach dem anderen wiederholten, er hätte es immer abgelehnt, sein Handwerk zu erlernen! – Faul, mein Gott, er, bei dem ich erlebt habe, daß er nach zehn Stunden Malen vor Erschöpfung ohnmächtig wurde, er, der sein ganzes Leben hingegeben hat, der sich umgebracht hat mit seiner Arbeitswut! – Und unwissend, so eine dumme Behauptung! Niemals werden sie begreifen, daß das, was man von Natur aus mitbringt, wenn einem überhaupt der Ruhm zuteil wird, irgend etwas mitzubringen, das verzerrt, was man lernt. Delacroix verstand auch nichts von seinem Handwerk, weil er sich nicht an die genaue Linie halten konnte. Ach, die Trottel, die guten Schüler, die so blutarm sind und so unfähig zu etwas Unvorschriftsmäßigem!« Er ging ein paar Schritte schweigend, dann fügte er hinzu: »Ein heldenhafter Arbeiter, ein leidenschaftlicher Beobachter, der sich den Schädel vollgestopft hat mit Wissen, seiner Anlage nach ein großer wunderbar begabter Maler … Und er hinterläßt nichts.«
    »Überhaupt nichts, nicht ein Gemälde«, erklärte Bongrand. »Ich kannte von ihm nur Skizzen, Entwürfe, hingeworfene Notizen, dieses ganze Gepäck des Künstlers, der damit nicht an die Öffentlichkeit treten kann … Ja, der ist tot, ganz und gar tot, den man jetzt in die Erde senken wird!«
    Aber sie mußten ihren Schritt beschleunigen, sie waren während ihres Gesprächs zurückgeblieben; und der Leichenwagen, der zwischen Weinschenken und Grabsteingeschäften dahingerollt war, bog rechts ein in das Stück Straße, das zum Friedhof führte. Sie holten ihn wieder ein, sie gingen zusammen mit dem kleinen Trauerzug durch das Tor. Der Priester im Chorhemd, der Ministrant mit dem Weihwasserkessel stiegen beide vom Trauerwagen herunter und gingen voraus.
    Es war ein großer, ebener Friedhof, noch nicht alt, wie nach der Schnur in diesem leeren Gelände der Bannmeile gezogen, durch breite symmetrische Alleen wie ein Schachbrett eingeteilt. Wenige Denkmäler säumten die Hauptwege; alle Gräber, und es gab ihrer bereits übermäßig viele, erhoben sich kaum über den Erdboden, in der hingepfuschten provisorischen Anlage der auf fünf Jahre überlassenen Grabstellen, der einzigen, die hier zu bekommen waren; und da die Familien sich vor größeren Ausgaben scheuten, da die Grabsteine wegen der fehlenden Fundamente versanken, da für die grünen Bäume keine Zeit zum Wachsen war, da dieser ganzen Trauer das Vergängliche und Ramschhafte anzumerken war, lag über dem weiten Feld eine Armseligkeit, eine kalte und saubere Kahlheit, die Schwermut einer Kaserne oder eines Krankenhauses. Kein Fleckchen wie in

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