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Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Heftigkeit von Flintengeknatter lange nachhallte.
    Außer sich drehte sich Bongrand nach der Lokomotive um. Sie verstummte, und das war eine Erleichterung.
    Tränen waren Sandoz in die Augen gestiegen, der bereits gerührt war von den Dingen, die da unwillkürlich über seine Lippen gekommen waren, während er hinter der Leiche seines alten Kumpels herging, als hätten sie so wie einst miteinander geplaudert und sich an ihren Worten berauscht; und nun schien es ihm, als werde hier seine eigene Jugend beerdigt: das war ein Teil von ihm selbst, der bessere Teil, der voller Illusionen und Begeisterungsstürme, den die Totengräber jetzt forttrugen, um ihn in die Tiefe des Loches gleiten zu lassen.
    Aber in dieser furchtbaren Minute ereignete sich noch ein Zwischenfall, der seinen Kummer vermehrte. Es hatte an den vorhergehenden Tagen so sehr geregnet und die Erde war so aufgeweicht, daß jäh alles einstürzte. Einer der Totengräber mußte in die Grube springen, um sie mit langsamem, rhythmischem Spatenwurf wieder auszuschaufeln. Das nahm kein Ende, zog sich ewig hin, zwischen dem ungeduldig gewordenen Priester und den interessiert zuschauenden vier Nachbarn, die bis zum Schluß mitgekommen waren, ohne daß man eigentlich wußte warum.
    Und oben auf dem Bahndamm hatte die Lokomotive wieder zu rangieren begonnen, fuhr zurück, heulte bei jeder Radumdrehung auf, und ein Glutregen aus dem offenen Feuerloch setzte den düsteren Tag in Brand.
    Endlich war die Grube ausgeschaufelt, der Sarg wurde hinabgelassen, man reichte einander den Weihwedel. Es war zu Ende. Der kleine Cousin mit seinem untadeligen und zauberhaften Aussehen stand da und nahm die Beileidsbezeigungen entgegen, drückte im Gedenken an diesen Verwandten, an dessen Namen er sich am Tage zuvor nicht erinnert hätte, die Hände aller dieser Leute, die er niemals gesehen.
    »Der macht sich aber gut, dieser Ladenschwengel«, sagte Bongrand, der seine Tränen herunterschluckte. Sandoz antwortete schluchzend:
    »Ja, sehr gut!«
    Alle gingen davon, die Chorhemden des Priesters und des Ministranten verschwanden zwischen den grünen Bäumen, die Nachbarn liefen auseinander und lasen umherschlendernd die Grabinschriften.
    Und Sandoz, der sich entschloß, die halb zugeschaufelte Grube zu verlassen, begann wieder:
    »Wir allein werden ihn gekannt haben … Nichts bleibt mehr von ihm, nicht einmal ein Name!«
    »Er ist recht glücklich dran«, sagte Bongrand, »er hat keine Sorge um ein angefangenes Bild dort in der Erde, in der er schläft … Man kann ebensogut gleich abkratzen, statt wie wir verbissen verkrüppelte Kinder zur Welt zu bringen, denen immer ein paar Stücke fehlen werden, die Beine oder der Kopf, und die nicht leben können.«
    »Ja, man darf wahrhaftig gar keinen Stolz mehr haben, um sich mit dem Ungefähren abzufinden und mit dem Leben zu mogeln … Ich, der ich in meinen Schwarten aufs Äußerste gehe, ich verachte mich, weil ich fühle, daß sie trotz meiner Anstrengung unvollkommen und verlogen sind.«
    Mit blassen Gesichtern gingen sie langsamen Schrittes Seite an Seite am Rande der weißen Kindergräber davon, der Romanschriftsteller in der Kraft, die ihm seine schwere Arbeit und sein Ruf verliehen, und der berühmte Maler, mit dem es bergab ging.
    »Zumindest ist das mal einer, der folgerichtig und tapfer gehandelt hat«, fuhr Sandoz fort. »Er hat seine Unfähigkeit eingestanden und hat sich umgebracht.«
    »Das stimmt«, sagte Bongrand. »Wenn wir nicht so sehr an unserer Haut hängen würden, täten wir dasselbe wie er … Nicht wahr?«
    »Wahrhaftig, ja. Da wir nichts schaffen können, da wir nur kraftlose Nachbildner sind, könnten wir uns ebensogut sofort eine Kugel durch den Kopf schießen.«
    Sie waren wieder vor dem angezündeten Haufen alter, verfaulter Sargbretter angelangt. Jetzt brannten sie schwitzend und prasselnd; aber man sah noch immer keine Flammen, der Rauch allein hatte zugenommen, ein scharfer, dichter Rauch, den der Wind in dicken Wirbeln vor sich her trieb und der den ganzen Friedhof mit einem Trauergewölk bedeckte.
    »Verflixt, schon elf Uhr!« sagte Bongrand, der seine Uhr zog. »Ich muß machen, daß ich nach Hause komme.«
    Sandoz rief überrascht:
    »Was? Schon elf Uhr?«
    Er ließ einen langen, verzweiflungsvollen Blick seiner tränenblinden Augen über die niedrigen Grabstätten, über das weite, von Perlen überblühte, so regelmäßige und so kühle Feld schweifen. Dann fügte er hinzu:
    »Gehen wir an die

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