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Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Geruch nach Heilkräutern, mit dem ihr Kleid durchtränkt war und den sie in ihrem fettigen, stets ungekämmten Haar mitbrachte: die fade Süße der Malven, die Schärfe des Holunders, die Bitterkeit der Rhabarberwurzeln, aber vor allem die flammende Glut der Pfefferminze, die gleichsam ihr eigener Atem war, der heiße Atem, den sie den Männern ins Gesicht hauchte. Sie machte eine Handbewegung, als sei sie überrascht.
    »Oh, mein Gott, Sie haben Besuch! – Das konnte ich nicht wissen, ich werde später wiederkommen.«
    »Ganz recht«, sagte Mahoudeau sehr verärgert. »Ich werde übrigens gleich fortgehen. Sie können mir am Sonntag sitzen.«
    Verdutzt sah Claude erst Mathilde an und dann die Weinleserin.
    »Wie!« rief er aus. »Madame Mathilde sitzt dir für diese Muskelpakete da? Verflixt, du machst sie aber ganz schön dick.«
    Und das Gelächter setzte wieder ein, während der Bildhauer Erklärungen stammelte:
    »O nein, nicht für den Körper, auch nicht für die Beine, für nichts weiter als den Kopf und die Hände und für noch ein paar Kleinigkeiten, für mehr nicht.«
    Aber Mathilde lachte mit den anderen, ein schrilles, schamloses Lachen. Dreist war sie hereingekommen und hatte die Tür wieder zugemacht. Dann fühlte sie sich wie zu Hause, sie war glücklich inmitten all dieser Männer, rückte ihnen auf den Leib und beschnüffelte sie. Ihr Lachen ließ die schwarzen Löcher in ihrem Munde sehen, in dem mehrere Zähne fehlten; und sie war so häßlich, daß einem bange werden konnte, war bereits zugrunde gerichtet, und die Haut klebte ihr geschmort auf den Knochen. Jory, den sie zum ersten Mal sah, mußte sie wohl reizen mit seinem frischen Aussehen wie ein fettes Hähnchen, mit seiner vielversprechenden großen rosigen Nase. Sie stieß ihn mit dem Ellbogen an, und da sie ihn zweifellos in Erregung bringen wollte, setzte sie sich schließlich lässig wie eine Dirne unvermittelt Mahoudeau auf die Knie.
    »Nein, laß sein«, sagte der und stand auf. »Ich habe zu tun … Nicht wahr, man wartet da auf uns.« Er zwinkerte dabei mit den Augen, denn er sehnte sich danach, mal tüchtig bummeln zu gehen.
    Alle antworteten, man warte auf sie, und sie halfen ihm, seinen Entwurf mit alten Lappen zuzudecken, die er in einem Eimer eingeweicht hatte.
    Mathilde, die unterwürfig und verzweifelt aussah, machte indessen keinerlei Anstalten zu gehen. Sie stand herum und begnügte sich, aus dem Wege zu gehen, wenn man sie anrempelte, während Chaîne, der aufgehört hatte zu arbeiten, sie mit seinen großen Augen über das Gemälde hinweg unverwandt anstarrte, ganz erfüllt von der gierigen Lüsternheit eines schüchternen Jungen. Bis dahin hatte er nicht die Lippen auseinandergebracht, aber als Mahoudeau endlich mit den drei Kumpels fortging, entschloß er sich und fragte mit seiner dumpfen, vom langen Schweigen schleimigen Stimme:
    »Wann kommst du heim?«
    »Sehr spät. Iß und leg dich schlafen … Leb wohl!«
    Und Chaîne blieb allein mit Mathilde im feuchten Laden inmitten der Tonhaufen und der Wasserpfützen, in dem kreidigen Licht der beschmierten Fensterscheiben, das diesen elenden, unaufgeräumten Winkel grell beleuchtete. Draußen gingen Claude und Mahoudeau voraus, während die beiden anderen folgten; und als Sandoz Jory damit aufzog, daß er die Kräuterkrämerin erobert habe, rief dieser aus: »Ach nein, sie sieht ja scheußlich aus, sie könnte die Mutter von uns allen sein. Und dazu eine Schnauze wie eine alte Hündin, die keine Beißer mehr hat! – Obendrein stinkt sie nach Gift wie eine Apotheke.«
    Diese Übertreibung brachte Sandoz zum Lachen. Er zuckte die Achseln.
    »Laß gut sein, du bist nicht so wählerisch, du nimmst welche, die kaum besser sind.«
    »Ich? Wo denn? – Und du weißt ja, daß sie sich hinter unserm Rücken auf Chaîne gestürzt hat. Ach, die Schweine, sie werden sich miteinander gütlich tun!«
    Rasch drehte sich Mahoudeau, der in eine heftige Diskusion mit Claude versunken zu sein schien, mitten in einem Satz um und sagte: »Was mir schnuppe ist!« Er sprach seinen Satz zu Claude zu Ende; und zehn Schritte weiter schrie er wieder über die Schulter nach hinten: »Und überhaupt ist Chaîne zu dumm!«
    Man redete nicht weiter darüber. So einherbummelnd, schienen die vier die ganze Breite des Boulevard des Invalides einzunehmen. Das war ihre übliche Art, sich breitzumachen: das allmähliche Anwachsen der Schar durch unterwegs aufgelesene Kumpel, der ungehinderte Marsch einer in

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