Das Werk - 14
den Krieg ziehenden Horde. Diese fidelen Kerle nahmen mit dem schönen Schneid ihrer zwanzig Jahre von der Straße Besitz. Sobald sie zusammen waren, erklangen Fanfaren vor ihnen, packten sie Paris mit der einen Hand und steckten es seelenruhig in ihre Tasche. Der Sieg stand außer Zweifel, sie stolzierten in ihren alten Schuhen und ihren abgetragenen Überziehern einher, weil sie diese Lappalien geringachteten, weil sie übrigens nur zu wollen brauchten, um die Herren zu sein. Und das ging nicht ab ohne eine ungeheure Verachtung alles dessen, was nicht ihre Kunst war, Verachtung des Geldes, Verachtung der Welt, Verachtung der Politik vor allem. Wozu war dieser Dreck da nütze? Nur Schwachköpfe gaben sich damit ab! Und eine hochmütige Ungerechtigkeit hob sie empor, eine gewollte Unkenntnis der Notwendigkeit des gesellschaftlichen Lebens, der irre Traum, auf Erden nur Künstler zu sein. Sie waren darin mitunter geradezu albern, aber diese Leidenschaft machte sie mutig und stark.
Da lebte Claude auf. Er begann in dieser Wärme vereinigter Hoffnungen wieder zu glauben. Von seinen Qualen vom Vormittag blieb ihm nur eine unbestimmte Benommenheit; er stellte mit Mahoudeau und Sandoz von neuem Erörterungen über sein Gemälde an und schwor dabei allen Ernstes, er werde es morgen einhauen. Jory, der sehr kurzsichtig war, sah den alten Damen ins Gesicht und erging sich dabei in Theorien über das künstlerische Schaffen: man müsse sich geben, so wie man war, der ersten Eingebung folgen; er streiche niemals etwas aus, was er geschrieben habe. Und so diskutierend, gingen die vier weiter den Boulevard hinunter, der fast menschenleer war und mit seinen sich bis ins unendliche hinziehenden Reihen schöner Bäume für ihre Auseinandersetzungen geradezu geschaffen zu sein schien. Aber als sie auf die Esplanade des Invalides herauskamen, wurde der Streit so heftig, daß sie inmitten der weiten Fläche stehenblieben. Claude, der außer sich war, schalt Jory einen Blödian: war es denn nicht besser, ein Werk zu zerstören als ein mittelmäßiges zu liefern? Ja, ekelhaft war dieses niedrige Geschäftsinteresse! Sandoz und Mahoudeau sprachen nun gleichzeitig und sehr laut. Besorgt drehten sich Leute nach ihnen um, liefen schließlich zusammen und umstanden diese wütenden jungen Leute, die sich anscheinend zerfleischen wollten. Dann gingen die Vorübergehenden verärgert davon und glaubten, es handle sich um einen Ulk, als sie sahen, daß die Burschen jäh in guter Freundschaft allesamt ganz hingerissen waren von einer hell gekleideten Amme mit langen kirschfarbenen Bändern. Ah, verdammt, was für ein Ton! Das würde die richtige Note hineinbringen! Entzückt zwinkerten sie mit den Augen, sie sahen der Amme nach, die unter den sich schachbrettartig kreuzenden Baumreihen davonging; bei diesem Anblick fuhren sie aus dem Schlaf hoch und wunderten sich, bereits da zu sein. Diese Esplanade, die nach allen Seiten offen unter dem Himmel dalag und nur im Süden durch die ferne Perspektive des Hôtel des Invalides39 begrenzt war, bezauberte sie mit ihrer Größe, ihrer Ruhe; denn hier hatten sie genügend Platz zum Gestikulieren; und sie schöpften wieder etwas Atem, sie, die erklärten, Paris sei zu eng, es fehle dem Ehrgeiz, den sie in der Brust trügen, die Luft.
»Geht ihr irgendwohin?« fragte Sandoz Jory und Mahoudeau.
»Nein«, antwortete der letztere, »wir gehen mit euch mit … Wo geht ihr hin?«
Mit verlorenem Blick murmelte Claude:
»Ich weiß nicht … Immer der Nase lang.«
Sie bogen in den Quai d’Orsay ein, sie gingen bis zur Pont de la Concorde hinauf. Und vor dem Corps législatif40 fing der Maler entrüstet wieder an: »Was für ein widerwärtiges Gebäude!«
»Neulich«, sagte Jory, »hat Jules Favre41 eine tolle Rede gehalten … Das hat Rouher42 hübsch geärgert!« Aber die drei anderen ließen ihn nicht weiterreden, der Streit begann von neuem. Wer war das schon, Jules Favre? Wer war das schon, Rouher? Gab es so was denn überhaupt! Idioten, von denen zehn Jahre nach ihrem Tode niemand mehr reden würde! Sie waren auf die Brücke eingebogen, sie zuckten mitleidig die Schultern. Als sie dann in der Mitte des Place de la Condorde standen, schwiegen sie.
»Das«, erklärte Claude schließlich, »das ist ganz und gar nicht dumm.«
Es war vier Uhr, der schöne Tag ging in einem glorreichen Sonnenstieben zu Ende. Rechts und links zogen sich zur MadeleineKirche und zum Corps législatif Reihen von Gebäuden in
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