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Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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sollt mal sehen!«
    Tatsächlich betrachteten Sandoz, Claude und Mahoudeau, die alle drei ganz verdutzt waren, Irma mit ernster Miene.
    Aber sie spitzte die Ohren, sie hörte ihren Herrn zurückkehren, und sie warf Fagerolles rasch ins Gesicht:
    »Also, morgen abend, wenn du willst. Hol mich an der Brauerei Breda ab.«
    Nachdem sie die ganz feuchte Zigarette wieder zwischen Jorys Lippen gesteckt hatte, raste sie dann mit hocherhobenen Armen und mit der Grimasse eines überkandidelten Hanswursts in langen Sprüngen davon; und als ihr Herr mit ernster Miene und ein wenig blaß wieder auftauchte, saß sie wieder reglos da, die Augen auf denselben Stich in der Illustrierten gerichtet. Diese Szene hatte sich so rasch und in einem so drolligen Galopp abgespielt, daß die beiden Sergeanten, diese braven Kerle, vor Lachen fast platzten, als sie sich wieder ans Kartenspielen machten.
    Übrigens hatte Irma sie alle erobert. Sandoz erklärte, ihr Name Bécot eigne sich sehr gut für einen Roman; Claude fragte, ob sie ihm wohl für eine Studie sitzen würde, während Mahoudeau sie als Lausbub sah, als ein kleines Bildwerk, das man todsicher verkaufen würde. Bald ging sie fort und schickte mit ihren Fingerspitzen hinter dem Rücken ihres Herrn dem ganzen Tisch Küsse, einen Regen von Küssen, die Jorys vollends entflammten. Aber Fagerolles wollte sie noch nicht herleihen, denn ohne daß es ihm zu Bewußtsein kam, hatte er viel Spaß daran, in ihr ein Kind, das auf demselben Pflaster aufgewachsen war wie er, wiederzufinden, fühlte sich gekitzelt von diesem Verdorbensein durch die Straße, die auch ihn verdorben hatte.
    Es war fünf Uhr, die Schar ließ nochmals Bier kommen. Stammgäste aus dem Viertel hatten die Nachbartische besetzt, und diese Spießer warfen scheele Blicke, in denen sich Geringschätzung mit besorgter Unterwürfigkeit mischte, auf die Ecke der Künstler. Man kannte sie gut, eine Legende war im Entstehen. Und diese Spießer redeten nun von dummen Dingen: wie heiß es war, wie schwer man am Odéon46 einen Platz im Omnibus kriegte, daß man eine Weinschenke entdeckt habe, wo man schieres Fleisch zu essen bekam. Einer von ihnen wollte eine Erörterung über einen Posten anrüchiger Bilder beginnen, die soeben ins LuxembourgMuseum gehängt worden waren; aber alle waren derselben Meinung: die Gemälde waren nicht die Rahmen wert. Und sie redeten nicht weiter darüber, sie rauchten, wechselten hin und wieder ein Wort und lachten sich verständnisinnig zu.
    »Na«, fragte Claude schließlich, »wollen wir eigentlich auf Gagnière warten?«
    Man erhob Einspruch. Gagnière sei sterbenslangweilig; und außerdem werde er schon kommen, sobald er die Suppe rieche.
    »Also machen wir, daß wir fortkommen«, sagte Sandoz. »Es gibt heute abend Hammelkeule, versuchen wir, pünktlich zu sein.«
    Jeder bezahlte seine Zeche, und alle gingen hinaus. Ihr Aufbruch versetzte das Café in einige Erregung. Junge Leute, Maler zweifellos, machten einander flüsternd auf Claude aufmerksam, als hätten sie den gefürchteten Häuptling eines wilden Stammes vorübergehen sehen. Der berühmte Artikel von Jory hatte diese Wirkung hervorgerufen, das Publikum wurde Mitwisser und schickte sich an, selber die Freilichtschule zu schaffen, über die die Schar noch Witze machte. So sagten sie fröhlich, das Café Baudequin habe nichts von der Ehre geahnt, die sie ihm an dem Tage erwiesen, da sie es auserkoren, die Wiege einer Revolution zu sein.
    Auf dem Boulevard waren sie zu fünft, Fagerolles hatte die Gruppe verstärkt; und langsam zogen sie wieder mit ihrer gelassenen Eroberermiene durch Paris. Je mehr sie waren, desto mehr versperrten sie die ganze Breite der Straßen, desto mehr nahmen sie an ihren Absätzen vom heißen Leben der Bügersteige mit. Als sie die Rue de Clichy hinabgegangen waren, folgten sie der Rue de la Chausséed’Antin, bogen in die Rue Richelieu ein, überquerten die Seine über die Pont des Arts, um das Institut de France zu beschimpfen, und erreichten schließlich das Palais du Luxembourg durch die Rue de Seine, wo der Dreifarbendruck eines Plakats, die grellbunte Reklame eines Wanderzirkus, sie vor Bewunderung aufschreien ließ. Der Abend kam, die Woge der Vorübergehenden floß langsamer, die müde Stadt wartete auf die Dunkelheit, war bereit, sich dem erstbesten Mannsbild hinzugeben, das kraftvoll genug war, sie zu nehmen.
    Als Sandoz die vier anderen in seine Wohnung in der Rue d’Enfer eingelassen hatte, verschwand

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