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Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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ein Idiot! Zu sagen, daß Flore Beauchamps Schenkel nicht richtig sitzen! Und so bewundernswerte Schenkel, na, ihr kennt sie ja, Schenkel, die einem genau erzählen, was für ein Lotterleben sie führt.« Er ließ sich auf dem Bett, auf dem er saß, hintenüberfallen; und in die Luft starrend, fuhr er mit glutvoller Stimme fort: »Ach, das Leben! Es fühlen und in seiner Wirklichkeit wiedergeben, es um seiner selbst willen lieben, in ihm die einzig wahre, ewige und wechselnde Schönheit sehen, nicht auf die dumme Idee kommen, es durch Kastrieren zu veredeln, einsehen, daß das angeblich Häßliche nur das Hervortreten des Eigentümlichen ist, und Leben schaffen, und Menschen schaffen, die einzige Art, Gott zu sein!« Sein Glaube kehrte zurück, das Wandern quer durch Paris hatte ihn aufgepeitscht, wieder hatte ihn seine Leidenschaft für das lebendige Fleisch gepackt.
    Man hörte ihm schweigend zu.
    Er machte eine irre Gebärde, dann beruhigte er sich.
    »Mein Gott! Jeder hat so seine Ideen, aber das ärgerliche ist, daß die im Institut de France noch unduldsamer sind als wir … Die Jury des Salons gehört zu ihnen, ich bin sicher, daß dieser Idiot, der Mazel, mir mein Gemälde ablehnen wird.«
    Da brachen alle in Verwünschungen aus, denn die Frage der Jury war für sie ein ewiger Anlaß zum Zorn. Reformen wurden verlangt, jeder hatte eine Lösung bereit, vom allgemeinen Wahlrecht, das bei der Wahl einer im weiten Sinne liberalen Jury zur Anwendung kommen sollte, bis zur völligen Freiheit, zum freien Salon, der allen Ausstellern offenstehen sollte.
    Während die anderen Erörterungen anstellten, hatte Gagnière Mahoudeau ans offene Fenster gezogen, und verloren in die Nacht blickend, murmelte er mit matter Stimme:
    »Oh, es ist nichts, siehst du, vier Takte, ein hingeworfener Eindruck. Aber was steckt da alles drin! – Für mich ist das zunächst einmal eine flüchtige Landschaft, ein Stück trübseliger Straße mit dem Schatten eines Baumes, den man nicht sieht; und dann geht eine Frau vorbei, kaum das Profil ist zu sehen; und dann geht sie davon, und man wird ihr nie wieder begegnen, nie wieder.«
    In diesem Augenblick rief Fagerolles:
    »Sag mal, Gagnière, was reichst du dieses Jahr zum Salon ein?«
    Gagnière hörte nicht, er redete verzückt weiter:
    »Bei Schumann gibt es alles, das ist das Unendliche … Und Wagner, den haben sie Sonntag wiederum ausgepfiffen49!« Aber ein neuer Zuruf von Fagerolles ließ ihn zusammenfahren. »Na, was denn? Was ich zum Salon einreiche? – Ein kleines Reisestück vielleicht, einen Zipfel der Seine. Das ist so schwierig, ich muß vor allem selber damit zufrieden sein.«
    Er war jäh wieder furchtsam und unruhig geworden. Seine künstlerischen Bedenken hielten ihn monatelang an einem handgroßen Gemälde fest. Im Gefolge der französischen Landschaftsmaler, dieser Meister, die als erste die Natur erobert haben, mühte er sich, den richtigen Farbton zu treffen, die einzelnen Farbwerte genau einzuhalten, weil er von seinen Theorien ehrlich überzeugt war und ihm das die Hand schwerfällig machte. Und häufig wagte er keine warme Tönung mehr hineinzubringen, war er von grauer Trübsal erfüllt, die einen bei seiner revolutionären Leidenschaft in Erstaunen setzte.
    »Ich«, sagte Mahoudeau, »ich ergötze mich an dem Gedanken, wie ich sie lüstern machen werde mit meinem Prachtweib.«
    Claude zuckte die Achseln.
    »Oh, du, du wirst angenommen werden: die Bildhauer sind großzügiger als die Maler. Und übrigens verstehst du dein Geschäft sehr gut, du hast was in den Fingern, das gefällt … Voller hübscher Sächelchen wird deine Weinleserin sein.«
    Mahoudeau blieb ernst bei diesem Kompliment, denn er machte in Kraft, er wollte nichts von Anmut wissen und verachtete sie, diese unbesiegbare Anmut, die trotzdem unter seinen Fingern, den groben Fingern eines ungebildeten Arbeiters, immer wieder hervorsproß, wie eine Blume, die unbedingt auf dem harten Boden wachsen will, wo ein Windstoß sie hingesät hat.
    Fagerolles, der sehr schlau war, stellte nicht aus, weil er Angst hatte, seine Lehrer zu verstimmen; und er zog über den Salon her: ein stinkiger Kramladen, wo die gute Malerei zusammen mit der schlechten ungenießbar wurde! Insgeheim träumte er vom Rompreis, über den er übrigens wie die anderen Witze machte.
    Aber Jory pflanzte sich mit seinem Bierglas in der Faust mitten im Zimmer auf. Während er es in kleinen Schlucken austrank, erklärte er:
    »Die fällt mir

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