Das Werk - 14
allmählich auf die Nerven, die Jury! – Hört mal, wollt ihr, daß ich sie runtermache? Gleich in der nächsten Nummer fange ich an, schieß sie zusammen. Ihr gebt mir Material, nicht wahr? Und wir schmeißen sie zu Boden … Das wird ein Spaß!«
Claude ereiferte sich immer mehr, es herrschte allgemeine Begeisterung. Ja, ja, man müßte einen Feldzug führen! Alle waren dabei, alle drängten sich enger aneinander, um besser Tuchfühlung zu haben und im Feuer zusammen zu marschieren. Es gab in dieser Minute nicht einen unter ihnen, der seinen Anteil am Ruhm für sich behielt, denn noch trennte sie nichts, weder ihre tiefe Verschiedenheit, von der sie nichts wußten, noch die Rivalität, die sie eines Tages aufeinanderprallen lassen mußte. War denn der Erfolg des einen nicht auch der Erfolg der anderen? Ihre Jugend gärte, sie strömten über vor Hingabe, sie träumten von neuem den ewigen Traum, sich in eine Heerschar einzureihen zur Eroberung der Welt, wobei jeder das Seine dazu beitrug, der eine den anderen vorwärts drängte und die Schar geschlossen, in Reih und Glied, ans Ziel gelangte. Schon blies Claude als anerkannter Anführer die Siegesfanfare und verteilte Lorbeerkränze. Fagerolles selber glaubte trotz seiner Pariser Aufschneiderei an die Notwendigkeit, eine Heerschar zu bilden, während Jory, der schwerfälliger war in seinen Begierden und den Staub seiner Provinz noch nicht ganz von den Füßen geschüttelt hatte, sich in nutzvoller Kameradschaftlichkeit für die anderen einsetzte, im Fluge die Sätze erhaschte und seine Artikel gleich hier ausarbeitete. Und Mahoudeau übertrieb seine gewollte Brutalität noch und verkrampfte die Hände wie ein Teigkneter, der mit seinen Fäusten eine Welt umkneten möchte; und Gagnière, der sich vom Grau seiner Malerei gelöst hatte, verging vor Wonne und wollte so raffinierte Empfindungen hervorrufen, daß einem beim Betrachten der Verstand schwand; und Dubuche warf aus tiefster Überzeugung nur Worte hin, aber Worte wie Keulenschläge, mitten hinein in alle Hindernisse. Da entkorkte Sandoz, der sich sehr freute und vor Behagen lachte, sie so beisammen, alle im selben Hemd zu sehen, wie er sagte, eine neue Flasche Bier. Er hätte am liebsten das Haus leer getrunken, er schrie:
»Na? Wir halten zusammen, wir lassen nicht mehr voneinander … Nur das ist wichtig, daß man sich versteht, wenn man was im Köpfchen hat. Und möge ein Himmeldonnerwetter zwischen die Dummköpfe fahren!« Aber in diesem Augenblick ließ ihn ein kurzes Anschlagen der Klingel verdutzt innehalten. Inmitten des jähen Schweigens fuhr er fort: »Um elf Uhr! Wer zum Teufel ist denn das?« Er rannte hinaus, um aufzumachen, man hörte ihn einen Freudenruf ausstoßen. Schon kam er zurück, riß sperrangelweit die Tür auf und sagte: »Ach, wie reizend das ist, daß Sie uns ein bißchen gern haben und uns diese Überraschung bereiten! – Bongrand, meine Herren!«
Ein großer Maler, den der Hausherr solcherweise mit ehrerbietiger Vertraulichkeit ankündigte, trat mit ausgestreckten Händen auf sie zu.
Aufgeregt erhoben sich alle rasch von ihren Plätzen, waren glücklich über den Druck dieser so breiten und so herzlich dargebotenen Hand.
Bongrand war ein beleibter Mann von fünfundvierzig Jahren mit einem zerquälten Gesicht unter langen grauen Haaren. Er war soeben ins Institut de France aufgenommen worden, und an seinem schlichten Alpakajackett trug er die Rosette des Offiziers der Ehrenlegion50. Aber er liebte die Jugend, und am wohlsten war ihm, wenn er dann und wann bei der Jugend hereinschneien konnte, um mitten unter diesen Anfängern, deren Begeisterung ihn wärmte, eine Pfeife zu rauchen.
»Ich gieße gleich Tee auf«, rief Sandoz.
Und als er mit der Teekanne und Tassen aus der Küche wiederkam, hatte sich Bongrand bereits rittlings auf einem Stuhl niedergelassen und rauchte in dem Lärm, der wieder eingesetzt hatte, seine kurze Tonpfeife. Bongrand selber sprach mit Donnerstimme, er war der Enkel eines Landwirts aus der Beauce51, Sohn eines bürgerlichen Vaters, von bäuerlichem Blut, verfeinert durch eine künstlerisch sehr begabte Mutter. Er war reich, er hatte es nicht nötig zu verkaufen, und er behielt seine bohemehaften Neigungen und Auffassungen bei.
»Deren Jury, ach ja! Lieber will ich verrecken als dazugehören!« sagte er mit weit ausholenden Gebärden. »Bin ich denn ein Schinder, daß ich arme Teufel rausschmeiße, die oft genug ihr Brot verdienen
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