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Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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schöne Sachen darüber, ich würde nicht viel für eure Haut geben, junges Volk!« Er lachte sein breites Lachen, hatte die Arme ausgebreitet, als wolle er die ganze Jugend umarmen, deren Hochkommen er spürte.
    »Ihre Schüler gedeihen«, sagte Claude lediglich.
    Von Verlegenheit erfaßt, hieß Bongrand ihn mit einer Handbewegung schweigen. Er hatte nichts ausgestellt, und diese ganze Produktion, die er abschritt, diese Bilder, diese Statuen, diese Anstrengung menschlichen Schaffens, erfüllte ihn mit Bedauern. Das war keine Eifersucht, denn es gab keine hochherzigere oder bessere Seele als ihn, sondern das war Einkehr in sich selbst, dumpfe Angst vor einem langsamen Verfall, diese uneingestandene Angst, die ihn gepackt hielt.
    »Und bei den Abgelehnten«, fragte ihn Sandoz, »wie steht’s da?«
    »Prächtig! Geht euch das ansehen.« Sich Claude zuwendend und seine beiden Hände haltend, fügte er hinzu: »Sie, mein Bester, Sie sind ein toller Kerl … Hören Sie! Ich, der ich als Schlauberger gelte, ich würde zehn Jahre meines Lebens hingeben, wenn ich Ihr Weibsbild gemalt hätte.«
    Dieses Lob aus einem solchen Munde rührte den jungen Maler zu Tränen. Endlich hatte er also einen Erfolg! Er fand nicht ein Wort der Dankbarkeit, er sprach jäh von etwas anderem, weil er seine Bewegung verbergen wollte:
    »Dieser brave Mahoudeau! Aber seine Figur, die ist sehr gut! – Ein verteufeltes Temperament, nicht wahr?«
    Sandoz und er hatten angefangen, um den Gips herumzugehen. Bongrand antwortete mit einem Lächeln:
    »Ja, ja, zuviel Schenkel, zuviel Busen. Aber seht euch die Ansätze der Glieder an, das ist fein und hübsch wie alles … Also, lebt wohl, ich verlasse euch. Ich will mich ein bißchen hinsetzen, meine Beine sind wie zerschlagen.«
    Claude hatte den Kopf gehoben und lauschte. Ein ungeheurer Lärm, der ihm zunächst nicht aufgefallen war, rollte mit unausgesetztem Dröhnen in der Luft: das war das Getöse eines gegen die Küste brandenden Sturmes, das Grollen eines rastlosen, aus dem Unendlichen hervorbrechenden Ansturms.
    »Horch!« murmelte er. »Was ist denn das?«
    »Das«, sagte Bongrand, der sich entfernte, »das ist die Menge da oben in den Sälen.«
    Und nachdem die beiden jungen Freunde den Garten durchquert hatten, gingen sie nach oben in den Salon der Abgelehnten.
    Man hatte ihn sehr gut eingerichtet, die angenommenen Bilder waren nicht kostbarer untergebracht: hohe Behänge aus alten Wandteppichen an den Türen, mit grüner Serge bespannte Wandflächen für die Bilder, rote Samtbänkchen, Schutzschirme aus weißem Linnen unter den Oberlichtfenstern; und in der ganzen Flucht der Säle war der erste Anblick überall der gleiche, das gleiche Gold der Rahmen, die gleichen grellen Farbflecken der Gemälde. Aber eine besondere Fröhlichkeit herrschte hier, der Glanz der Jugend, über den man sich zuerst nicht recht klar wurde. Die ohnehin schon dichte Menschenmenge schwoll von Minute zu Minute noch mehr an, denn man rückte aus dem offiziellen Salon aus, man kam angerannt, aufgepeitscht von Neugier, angestachelt von der Begierde, die Richter zu richten, belustigt schließlich in der Gewißheit, daß man vom ersten Schritt an ungemein spaßige Dinge sehen werde. Es war sehr heiß, feiner Staub stieg vom Fußboden auf, gegen vier Uhr würde man sicher ersticken.
    »Verflixt!« sagte Sandoz, die Ellbogen gebrauchend. »Das ist nicht leicht, sich da drinnen durchzuarbeiten und dein Bild zu finden.« Im Fieber brüderlicher Zuneigung eilte er los. An diesem Tage lebte er nur für das Werk und den Ruhm seines alten Freundes.
    »Laß doch!« rief Claude aus. »Wir werden schon hinkommen. Mein Bild wird ja nicht davonfliegen.«
    Und er tat im Gegenteil so, als habe er es gar nicht eilig, obwohl er das unwiderstehliche Verlangen verspürte loszurennen. Er hob den Kopf und schaute um sich. Bald konnte er in der lauten Stimme der Menge, die ihn förmlich taub gemacht hatte, noch verhaltenes, leises Gelächter unterscheiden, das vom Getrappel der Füße und vom Lärm der Gespräche übertönt wurde. Vor manchen Gemälden machten Besucher Witze. Das beunruhigte ihn, denn er war bei all seinen umstürzlerischen Derbheiten von geradezu frauenhafter Leichtgläubigkeit und Empfindsamkeit, war stets aufs Martyrium gefaßt, mußte stets bluten, war stets bestürzt darüber, zurückgewiesen und verlacht zu werden. Er murmelte:
    »Die sind aber lustig hier!«
    »Verdammt, weil es Grund dazu gibt«, bemerkte Sandoz.

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