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Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Trägheit befallen in ihrem glühenden Verlangen, die Ausstellung zu sehen, kosteten sie eine Art rührseliger Traurigkeit aus und verweilten bei alten Kindheitserinnerungen.
    Es schlug ein Uhr, als sie durch die ChampsElysées gingen. Es war ein wunderschöner Tag mit weitem, klarem Himmel, dessen Blau eine noch kalte Brise zu beleben schien. Unter der Sonne, die die Farbe reifen Getreides hatte, zeigten die Reihen von Kastanienbäumen neue zartgrüne, frisch gelackte Blätter; und die Springbrunnen mit ihren aufschießenden Garben, die tadellos gepflegten Rasenflächen, die Tiefe der Alleen und die Breite der Flächen verliehen dem weiten Horizont ein prunkhaftes Aussehen. Ein paar Kutscher, wenige zu dieser Stunde, fuhren herauf, während sich eine Menschen woge, die wirr und unstet war wie ein Ameisenhaufen, unter die riesige Arkade des Palais de l’Industrie stürzte.
    Als sie eingetreten waren, fröstelte Claude leicht in der riesenhaften Vorhalle, in der es kühl war wie in einem Keller und deren feuchtes Pflaster unter den Füßen hallte wie die Fliesen in einer Kirche. Er betrachtete rechts und links die beiden monumentalen Treppen, und er fragte verächtlich:
    »Sag mal, wollen wir etwa durch den ihren dreckigen Salon gehen?«
    »Ach, nein, verflixt noch mal!« antwortete Sandoz. »Wir wetzen durch den Garten! Da ist die Westtreppe, die zum Salon der Abgelehnten führt.«
    Und verächtlich gingen sie zwischen den Tischen der Katalogverkäuferinnen hindurch. Wo die ungeheuren roten Samtvorhänge auseinanderklafften, kam hinter einem schattigen Vorhof der überglaste Garten zum Vorschein.
    Zu dieser Tageszeit war der Garten fast leer, nur am Ausschank unter der Uhr waren Leute; dort drängten sich die, die gerade Mittag aßen. Die ganze Menschenmenge befand sich im ersten Stock in den Sälen; und allein die weißen Statuen säumten die gelben Sandwege, die scharf das grüne Muster der Rasenflächen herausschnitten. Es war dies ein Volk aus reglosem Marmor, das vom matten, gleichsam als Staub von den hohen Fensterscheiben herabfallenden Licht gebadet wurde. Gegen Mittag versperrten Leinenstores eine Hälfte des Kirchenschiffs, das unter der Sonne blond wirkte und an dessen beide Enden das strahlende Rot und Blau der Kirchenfenster Flecken warf. Ein paar bereits abgehetzte Besucher hielten die Stühle und die ganz neuen Bänke, deren Anstrich glänzte, besetzt, während die Schwärme von Spatzen, die hoch droben in der Luft den Wald des Gußeisengebälks bewohnten, einander verfolgend unter Geschilpe niederflogen und dann wieder beruhigt den Sand durchwühlten.
    Claude und Sandoz gingen absichtlich rasch, ohne einen kurzen Blick rings um sich zu werfen. Eine steife, edle Bronze, die Minerva64 eines Mitglieds des Institut de France, hatte sie gleich an der Tür in Harnisch gebracht. Aber als sie längs einer unendlichen Reihe von Büsten den Schritt beschleunigten, erkannten sie Bongrand, der ganz allein langsam um eine kolossale, überquellende liegende Figur herumging.
    »Sieh mal einer an! Ihr seid’s!« rief er, als sie ihm die Hand hinstreckten. »Ich sehe mir gerade die Figur unseres Freundes Mahoudeau an. Die Herren von der Jury haben zumindest soviel Verstand gehabt, sie anzunehmen und gut aufzustellen.« Und sich unterbrechend, fuhr er fort: »Ihr kommt von oben?«
    »Nein, wir sind gerade erst gekommen«, sagte Claude.
    Da sprach er zu ihnen sehr herzlich vom Salon der Abgelehnten. Er, der dem Institut de France angehörte, der aber abseits von seinen Kollegen lebte, hatte seine Freude am Abenteuer: die ewige Unzufriedenheit der Maler, die von kleinen Zeitungen wie dem »Tambour« geführte Kampagne, die Proteste, die fortgesetzten Beschwerden, die schließlich den Kaiser65 beunruhigt hatten; und der künstlerische Staatsstreich dieses schweigsamen Träumers, denn die getroffene Maßnahme kam einzig von ihm; und die Entgeisterung, der Spektakel, den alle veranstalteten, nachdem dieser Pflasterstein in den Froschtümpel geplumpst war.
    »Nein«, fuhr er fort, »ihr habt keine Vorstellung, wie entrüstet die Mitglieder der Jury sind! – Und obendrein mißtraut man mir, man schweigt, wenn ich dabei bin! – Alle Wut richtet sich gegen die abscheulichen Realisten. Vor denen werden die Türen des Tempels systematisch verschlossen; und gerade wegen denen hat der Kaiser dem Publikum die Möglichkeit geben wollen, den Streitfall zu überprüfen; die Realisten, die triumphieren endlich … Ach, ich höre

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