Das Werk - 14
»Sieh dir doch diese überkandidelten Gäule an.«
Aber in diesem Augenblick, da sie sich im ersten Saal verweilten, stieß, ohne sie zu sehen, Fagerolles auf sie. Er zuckte zusammen, war ohne Zweifel verärgert über das Zusammentreffen. Übrigens faßte er sich sofort und sagte sehr liebenswürdig:
»Wie sich das trifft! Ich habe eben an euch gedacht … Ich bin seit einer Stunde hier.«
»Wo haben sie denn Claudes Bild hingesteckt?« fragte Sandoz.
Fagerolles, der eben zwanzig Minuten vor diesem Bild gestanden, es studiert und ebenso den Eindruck auf das Publikum studiert hatte, antwortete ohne Zögern:
»Ich weiß nicht … Wir werden es zusammen suchen, wollt ihr?« Und er schloß sich den beiden an. Dieser schreckliche Spaßvogel, der er nun einmal war, trug nicht mehr ein solches ganovenhaftes Benehmen zur Schau, ging bereits untadelig gekleidet, war immer noch von einer Spottsucht, die am liebsten alle Welt gebisssn hätte, hatte aber von nun an die zu einem ernsthaften Flunsch verkniffenen Lippen eines Burschen, der hochkommen will. Er fügte mit überzeugter Miene hinzu: »Ich bedaure, daß ich in diesem Jahr nichts eingereicht habe! Ich wäre hier bei euch, ich hätte meinen Anteil am Erfolg … Und es sind erstaunliche Dinger dabei, Kinder! Zum Beispiel diese Pferde …« Er zeigte auf das große Gemälde ihnen gegenüber, vor dem die Menge sich lachend staute.
Das war, hieß es, das Werk eines ehemaligen Tierarztes, auf eine Wiese losgelassene Pferde in natürlicher Größe, aber phantastische Pferde, blaue, lila, rosa Pferde, deren verblüffende Anatomie durch die Haut schimmerte.
»Hör mal, mach dich bloß nicht über uns lustig!« erklärte Claude argwöhnisch.
Fagerolles heuchelte Begeisterung.
»Wieso! Aber da ist doch eine Menge dran! Der versteht natürlich was von Pferden, der gute Mann. Zweifellos malt er wie ein Schmierfink. Was macht das schon aus, wenn es originell ist und etwas Dokumentarisches hat?« Sein feines Mädchengesicht blieb ernst, kaum daß auf dem Grunde seiner hellen Augen ein gelber Funke Spott leuchtete. Und er fügte folgende bösartige Anspielung hinzu, die nur er genießen konnte: »Na schön, wenn du dich von Dummköpfen beeinflussen läßt, die hier lachen, wirst du gleich noch was ganz anderes erleben!«
Die drei Freunde, die sich wieder in Bewegung gesetzt hatten, kamen in der Dünung der Schultern nur unendlich mühsam voran. Als sie in den zweiten Saal traten, überflogen sie die Wände mit einem kurzen Blick, doch das gesuchte Bild hing nicht da. Aber dafür sahen sie Irma Bécot an Gagnières Arm, beide schier zerquetscht an einer Wandleiste, er betrachtete gerade ein kleines Gemälde, während sie, entzückt von der Drängelei, ihr rosiges Frätzchen hob und dem Gewühl zulachte.
»Wie«, fragte Sandoz verwundert, »sie geht jetzt mit Gagnière?«
»Oh, eine vorübergehende Sache«, erklärte Fagerolles mit gelassener Miene. »Die Geschichte ist so komisch … Ihr wißt doch, daß man ihr soeben eine sehr schicke Wohnung eingerichtet hat; ja, dieser junge Trottel, der Marquis, der, von dem in den Zeitungen die Rede ist, ihr entsinnt euch doch? Ein tolles Weib, das es noch weit bringen wird, ich habe es ja immer gesagt! – Man mag sie ruhig in Betten mit Adelswappen stecken, sie ist wie toll auf Gurtbetten, es gibt Abende, an denen sie einfach in die Dachkammer eines Malers muß. Und so ist das passiert, sie hat wieder mal alles schießen lassen und ist Sonntag gegen ein Uhr morgens ins Café Baudequin hereingeschneit. Wir waren gerade weggegangen, nur Gagnière war noch da, der vor seinem Schoppen eingeschlafen war … Da hat sie Gagnière genommen.«
Irma hatte die drei erblickt und winkte ihnen von ferne zärtlich zu. Sie mußten näher kommen. Da drehte sich Gagnière um, der mit seinem fahlen Haar und seinem bartlosen Gesicht noch unbedeutender aussah als sonst. Er zeigte keinerlei Überraschung darüber, daß die drei da hinter ihm standen.
»Das ist ja beispiellos«, murmelte er.
»Was denn?« fragte Fagerolles.
»Na, dieses kleine Meisterwerk hier … Und anständig und naiv und überzeugt!« Er wies auf das winzige Gemälde, vor dem er in Gedanken versunken war, ein ganz kindliches Gemälde, so daß ein Bengel von vier Jahren es hätte malen können, ein kleines Haus am Rande eines kleinen Weges mit einem kleinen Baum daneben, das Ganze schief hingesetzt und mit schwarzen Strichen umzogen, und nicht einmal der Korkenzieher aus Rauch, der
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