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Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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modernem Fleisch, durchgeknetet von einem genialen Arbeiter ohne Künstelei; und so einer brachte eben auf gut Glück seine Werke hervor wie ein Feld sein Korn, gut an einem Tage, schlecht am nächsten, in völliger Unkenntnis dessen, was er schuf. Er trieb den Mangel an kritischem Sinn so weit, daß er keinen Unterschied mehr machte zwischen den ruhmreichsten Söhnen seiner Hände und den scheußlichen Götzen, die er manchmal hinpfuschte. Er kannte kein nervöses Fieber, keine Zweifel, war immer kernfest und überzeugt und stolz wie ein Gott.
    »Erstaunlich, der ›Sämann‹!« murmelte Claude. »Und was für ein Aufbau, und was für eine Bewegung!« Fagerolles, der die Statue überhaupt nicht ansah, hatte viel Spaß an dem großen Mann und an dem Gefolge seiner jungen Schüler, die Maulaffen feilhielten und die er gewöhnlich hinter sich herschleppte.
    »Seht sie euch doch an, die kommunizieren, mein Wort drauf! – Und er, was für ein toller Rindskopf, der ist ja ganz verklärt bei der Betrachtung seines Nabels!«
    Chambouvard, der sich so allein inmitten der Neugier aller wohlfühlte, war ganz verdutzt, wie aus allen Wolken gefallen, und schien sich zu wundern, daß er ein solches Werk zur Welt gebracht hatte. Er schien es zum ersten Mal zu sehen, er kam nicht los davon. Dann ertränkte ein Entzücken sein breites Gesicht, er wackelte mit dem Kopf, er brach in ein leises, unbezwingliches Lachen aus und sagte zweimal:
    »Ist das komisch … ist das komisch …«
    Das ganze Gefolge hinter ihm verging vor Wonne, während er sich nichts anderes einfallen ließ, um seiner Selbstanbetung Ausdruck zu verleihen.
    Aber nun entstand eine leise Bewegung: Bongrand, der mit auf dem Rücken verschränkten Händen und verschwommenen Augen herumging, war soeben auf Chambouvard gestoßen; und das Publikum flüsterte, interessierte sich für den Händedruck, den die beiden berühmten Künstler tauschten, von denen der eine untersetzt und sanguinisch, der andere lang und schlotterig war. Man hörte kameradschaftliche Worte:
    »Immer wieder was Wunderbares!«
    »Weiß Gott! Und Sie, nichts in diesem Jahr?«
    »Nein, nichts, ich ruhe mich aus, ich suche.«
    »Gehen Sie mir doch! Spaßmacher, das kommt von ganz allein.«
    »Leben Sie wohl!«
    »Leben Sie wohl!«
    Schon ging Chambouvard, gefolgt von seinem Hofstaat, langsam durch die Menge davon, mit den Blicken eines Monarchen, der sich über das Leben freut, während Bongrand, der Claude und seine Freunde erkannt hatte, mit fiebrigen Händen zu ihnen herantrat, mit einer nervösen Bewegung des Kinns auf den Bildhauer wies und dabei sagte:
    »Das ist ein Teufelskerl, den beneide ich! Immerzu glauben, daß man Meisterwerke schafft!« Er beglückwünschte Mahoudeau zu seiner Weinleserin, zeigte sich allen gegenüber väterlich mit der großzügigen Gutmütigkeit, der Lässigkeit eines alten Romantikers, der es zu was gebracht und Auszeichnungen eingeheimst hatte. Sich an Claude wendend, sagte er dann: »Na, was habe ich Ihnen gesagt? Sie haben ja eben gesehen … Jetzt sind Sie zum Oberhaupt einer Schule aufgerückt.«
    »Ach ja«, antwortete Claude, »die richten mich ganz schön zu … Sie sind unser aller Meister.«
    Bongrand machte eine Gebärde unbestimmten Leidens, und er entfloh und sagte noch:
    »Seien Sie doch still! Ich bin nicht einmal mein Meister!«
    Eine Weile irrte die Schar noch durch den Garten. Man war zurückgegangen, um die Weinleserin zu sehen, da fiel Jory auf, daß Gagnière Irma Bécot nicht mehr an seinem Arm hatte. Gagnière war platt: wo zum Teufel konnte er sie verloren haben? Aber als Fagerolles ihm erzählte, daß sie in der Menge mit zwei Herren davongegangen war, beruhigte er sich; und unbeschwerter folgte er den anderen, erleichtert und verdutzt, sie so bequem losgeworden zu sein.
    Nun konnte man nur noch mit Mühe umhergehen. Alle Bänke waren im Sturm genommen, Gruppen versperrten die Alleen, wo das langsame Wandeln der Spaziergänger stockte, unaufhörlich rings um erfolgreiche Bronzen und Marmorstandbilder zurückflutete. Vom umlagerten Ausschank ging ein starkes Gemurmel aus, ein Geklapper von Untertassen und Löffeln, das zum lebendigen Erschauern des ungeheuren Kirchenschiffes hinzukam. Die Spatzen waren wieder in den Wald des gußeisernen Gebälks aufgeflogen, man hörte ihre kleinen, spitzen Schreie, das Geschilpe, mit dem sie die sinkende Sonne hinter den warmen Scheiben grüßten. Es war stickig, feuchte Gewächshauswärme herrschte,

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