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Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Eisengerüste ankündigt, aber noch edler, erhoben zur Schönheit, damit sie künde von der Großartigkeit unserer Errungenschaften.
    »Ach ja, ach ja!« sagte Dubuche immer wieder, angesteckt von Claudes Begeisterungsschwung. »Das will ich machen, du wirst es eines Tages erleben … Gib mir Zeit hochzukommen, und wenn ich erst unabhängig bin, ach, wenn ich erst unabhängig bin …!«
    Die Nacht brach herein, Claude wurde immer lebhafter in seiner überreizten Leidenschaft, legte einen Wortreichtum, eine Beredsamkeit an den Tag, die seine Kumpel nicht an ihm kannten. Alle gerieten beim Zuhören in Erregung, verfielen bei den ungewöhnlichen Worten, mit denen er um sich warf, in eine lärmende Heiterkeit; und er selber, der wieder auf sein Bild zurückgekommen war, sprach davon mit einer ungeheuren Fröhlichkeit, karikierte die Spießer, die es betrachteten, und ahmte die dumme Tonleiter ihres Gelächters nach. Auf der aschfarbenen Avenue sah man nur noch Schatten weniger Wagen vorüberfahren. Die Nebenallee war ganz finster, Eiseskälte sank von den Bäumen herab. Einzig ein verlorener Gesang kam aus einer Baumgruppe hinter dem Café, irgendeine Probe im Concert de l’Horloge69, die gefühlvolle Stimme eines Mädchens, das sich in einem schmalzigen Lied versuchte.
    »Ach, haben sie mir Spaß gemacht, die Idioten!« rief Claude in einem letzten Ausbruch. »Hört mal, nicht für hunderttausend Francs würde ich auf diesen Tag verzichten.«
    Er schwieg erschöpft.
    Niemand konnte mehr reden. Schweigen herrschte, alle fröstelten unter dem eisigen Hauch, der vorüberstrich. Und irgendwie benommen, gingen sie nach schlaffen Händedrücken auseinander. Dubuche speiste in der Stadt. Fagerolles hatte eine Verabredung. Vergeblich versuchten Jory, Mahoudeau und Gagnière, Claude zu Foucart mitzuschleppen, einem Fünfundzwanzigsousrestaurant; besorgt über seine Ausgelassenheit, führte ihn Sandoz bereits am Arm fort.
    »Los, komm, ich habe meiner Mutter versprochen, nach Hause zu kommen. Du wirst einen Bissen bei uns essen, und das ist nett, daß wir den Rest des Tages zusammen verbringen.«
    Brüderlich umgefaßt gingen beide den Quai längs der Tuilerien hinunter. Aber an der Pont des Saints Pères blieb der Maler plötzlich stehen.
    »Wieso, du willst nicht mitkommen?« rief Sandoz. »Wo du doch mit mir zu Abend essen sollst?«
    »Nein, danke, ich habe zu starke Kopfschmerzen … Ich gehe heim und lege mich schlafen.« Und er blieb hartnäckig bei dieser Entschuldigung.
    »Gut, gut«, sagte der andere schließlich lächelnd, »du läßt dich überhaupt nicht mehr sehen, du lebst von Geheimnissen umwittert … Geh, Alter, ich will dir nicht lästig sein.«
    Claude unterdrückte eine Gebärde der Ungeduld, er ließ seinen Freund über die Brücke gehen und ging selber allein weiter den Quai entlang. Er wanderte dahin mit hängenden Armen, zur Erde gesenktem Kopf, ohne irgend etwas zu sehen, mit den langen Schritten eines Schlafwandlers, den sein Instinkt leitet. Am Quai de Bourbon, vor seiner Tür, blickte er auf, erstaunt darüber, daß dort eine Droschke am Bordstein hielt und ihm den Weg versperrte. Und mit dem gleichen mechanischen Schritt trat er bei der Concierge ein, um seinen Schlüssel zu holen.
    »Ich habe ihn der Dame gegeben«, rief Frau Joseph hinten aus ihrer Loge. »Die Dame ist oben.«
    »Was für eine Dame denn?« fragte er bestürzt.
    »Diese junge Person … Na, Sie wissen schon! Die, die immerzu kommt.«
    Er wußte nicht. Die wirrsten Gedanken im Kopf, entschloß er sich, nach oben zu gehen. Der Schlüssel steckte in der Tür, die er Öffnete und dann ohne Hast wieder schloß.
    Einen Augenblick verharrte Claude reglos. Dunkel hatte das Atelier überschwemmt, ein violettes Dunkel, das als die Schwermut der Abenddämmerung durch das Atelierfenster regnete und die Gegenstände ertränkte. Er konnte den Fußboden nicht mehr deutlich sehen, auf dem die Möbel, die Gemälde, alles, was da herumlag, zu zerfließen schienen wie im schlafenden Wasser eines Teiches. Aber auf der Kante des Diwans hob sich eine dunkle Gestalt ab, die dort saß, steif vom langen Warten, bange und verzweifelt beim Dahinscheiden des Tags.
    Es war Christine, er hatte sie erkannt.
    Sie streckte ihm die Hände entgegen, sie murmelte mit leiser, stockender Stimme:
    »Seit drei Stunden, ja, seit drei Stunden bin ich hier ganz allein und lausche … Als ich aus der Ausstellung kam, habe ich einen Wagen genommen, und ich wollte nur herkommen

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