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Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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wurde, fand in dem Gedränge zwei ihrer Freunde, zwei junge Börsenjobber, die unter den schärfsten Spöttern standen, und sie belehrte sie, sie zwang sie, das sehr gut zu finden, und versetzte ihnen dabei Klapse auf die Finger.
    Aber Fagerolles hatte nicht den Mund aufgemacht. Er musterte immer noch das Gemälde, er warf rasche Blicke auf das Publikum. Mit dem Spürsinn eines Parisers und dem geschmeidigen Gewissen eines geschickten Burschen wurde er sich darüber klar, das hier ein Mißverständnis vorlag; und undeutlich spürte er bereits, was geschehen müsse, damit diese Malerei alle eroberte: ein paar Mogeleien vielleicht, Abschwächungen, Überarbeitung des Themas, Milderung in der Faktur. Der Einfluß, den Claude auf ihn ausgeübt hatte, dauerte fort: er blieb davon durchdrungen, für immer gezeichnet. Bloß fand er es erzdumm, so was auszustellen. War es nicht blöd, an den Verstand des Publikums zu glauben? Was sollte diese nackte Frau und dieser angezogene Herr? Was bedeuteten die beiden kleinen Ringerinnen im Hintergrund? Und dabei die Qualitäten eines Meisters, ein Stück Malerei, wie es keine zwei gab im ganzen Salon! Tiefe Verachtung befiel ihn für diesen wunderbar begabten Maler, über den ganz Paris lachte wie über den letzten Schmierfink.
    Diese Verachtung wurde so stark, daß er sie nicht länger verhehlen konnte. In einem Anfall von unbezwinglicher Offenheit sagte er:
    »Ach, hör mal, mein Lieber, du hast das ja so gewollt, du bist doch zu dumm.«
    Claude wandte die Augen von der Menge ab und sah ihn schweigend an. Er war nicht schwach geworden bei diesem Gelächter, sondern lediglich blaß, und seine Lippen bewegte ein nervöses Zucken: niemand kannte ihn, allein sein Werk wurde geohrfeigt. Dann ließ er für eine kurze Weile die Blicke auf das Bild zurückschweifen und von dort langsam über die anderen Bilder im Saal wandern. Und im Zusammenbruch seiner Illusionen, im lebhaften Schmerz seines Stolzes wehten ihn ein Hauch Mut, ein Windstoß Gesundheit und Kindheit an von dieser ganzen Malerei, die so munter und tapfer war und mit einer so zügellosen Leidenschaft zum Sturmangriff auf das Althergebrachte antrat. Das war ein Trost und eine Stärkung für ihn; er spürte keine Gewissensbisse, keine Reue, fühlte sich im Gegenteil gedrängt, das Publikum noch mehr vor den Kopf zu stoßen. Gewiß, da waren viele Ungeschicklichkeiten, viele kindliche Bemühungen, aber welch hübscher allgemeiner Ton, welch ein Lichtstrahl war hier hereingebracht, ein silbergraues, feines, mattes, von allen im Freien tanzenden Reflexen erhelltes Licht! Das war gleichsam ein Fenster, das jäh aufgestoßen wurde in der alten Erdpechküche mit den aufgekochten Säften der Überlieferung, und die Sonne schien herein, und die Wände lachten über diesen Frühlingsmorgen! Der helle Ton seines Bildes, dieses Erblauen, über das man sich lustig machte, erstrahlte unter den anderen Bildern. War das nicht die erwartete Morgenröte, ein neuer Tag, der für die Kunst heraufzog? Er bemerkte einen Kritiker, der stehenblieb, ohne zu lachen, berühmte Maler, die sich das erstaunt mit ernster Miene ansahen, Vater Malgras, der wie immer sehr schmutzig war und mit der genüßlichen Schnute eines schlauen Weinkosters von Gemälde zu Gemälde ging und vor Claudes Bild reglos, in Gedanken versunken verhielt. Da drehte sich Claude zu Fagerolles um, er setzte ihn mit seiner verspäteten Antwort in Erstaunen:
    »Man ist so dumm, wie man eben sein kann, mein Lieber, und es ist anzunehmen, daß ich dumm bleiben werde … Um so besser für dich, wenn du ein Schlauberger bist!«
    Sofort schlug ihm Fagerolles als ein Kumpel, der mal einen Scherz macht, auf die Schulter, und Claude ließ sich von Sandoz beim Arm nehmen. Man führte ihn schließlich fort, die ganze Schar verließ den Salon der Abgelehnten in der Absicht, durch den Architektursaal zu gehen; denn seit einer Weile trat Dubuche, von dem ein Museumsentwurf angenommen worden war, von einem Fuß auf den anderen und flehte sie mit einem so demütigen Blick an, daß es schwer zu sein schien, ihm nicht diese Freude zu machen.
    »Ach«, sagte Jory scherzend, als sie in den Saal traten, »was für ein Eiskeller! Hier atmet man ja richtig auf.«
    Alle nahmen den Hut ab und trockneten sich erleichtert die Stirn, als gelangten sie nach einem langen Lauf in praller Sonne in die Kühle großer Schatten. Der Saal war leer. Von der mit einem weißleinenen Schutzschirm bespannten Decke fiel eine

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