Das Werk - 14
reglose Luft, die schal geworden war durch den Geruch nach frisch umgegrabener Gartenerde. Und diese Menschendünung im Garten überströmte der Radau in den Sälen im ersten Stock, das Trampeln der Füße auf den eisernen Planken und brauste noch immer mit dem Getöse eines gegen die Küste brandenden Sturms.
Claude, der dieses Gewittergrollen deutlich vernahm, hatte schließlich nur noch dieses entfesselte, brüllende Tosen in den Ohren: die Fröhlichkeit der Menge, deren Gejohle und Gelächter wie ein Orkan vor seinem Bilde fauchte. Er machte eine kraftlose Gebärde, er schrie:
»Ach, was haben wir hier zu suchen? Ich esse nichts hier am Ausschank, das stinkt nach Akademie … Los, trinken wir draußen einen Schoppen, wollt ihr?«
Mit zerschlagenen Beinen und verächtlich verzogenen Gesichtern gingen alle hinaus. Draußen atmeten sie geräuschvoll und voller Wonne auf, als sie wieder eingingen in die gute Frühlingsnatur. Es war kaum vier Uhr, schräg fiel die Sonne auf die ChampsElysées; und alles flammte, die dichten Schlangen der Kutschen, das frische Laub der Bäume, die Garben der Springbrunnen, die als Goldstaub aufsprühten und aufstoben. Schlendernden Schrittes gingen sie hinunter, zögerten, stürzten schließlich in ein kleines Café, den links vor dem Platz gelegenen Pavillon de la Concorde. Das Gastzimmer war so eng, daß sie sich trotz der Kälte, die von dem bereits dichten und schwarzen Blättergewölbe herniedersank, am Rande der Seitenallee an einen Tisch setzten. Aber jenseits der vier Reihen Kastanienbäume, jenseits dieses grünlichen Schattenstreifens hatten sie den sonnenüberstrahlten Fahrdamm der Avenue vor sich, durch einen Glorienschein sahen sie darauf Paris vorüberfahren, die Wagen, deren Räder wie Gestirne strahlten, die großen gelben Omnibusse, die noch mehr vergoldet waren als Triumphwagen, Reiter, deren Zaumzeug Funken zu sprühen schien, Fußgänger, die im Licht verklärt wirkten und erglänzten.
Und fast drei Stunden lang saß Claude vor seinem Schoppen, der immer noch voll war, redete, diskutierte bei steigendem Fieber, denn der Leib war ihm wie zerschlagen, der Kopf schwer von der ganzen Malerei, die er gesehen hatte. Das war so üblich, wenn er mit den Kumpeln aus dem Salon wegging, wobei ihre Leidenschaft in diesem Jahr durch die liberale Maßnahme des Kaisers nur noch gewachsen war, eine steigende Flut von Theorien, ein Berauschtsein von den extremsten Meinungen, die die Zungen schleimig machten, die ganze Leidenschaft für die Kunst, in der ihre Jugend entbrannte.
»Nun ja, was denn?« schrie er. »Das Publikum lacht, man muß das Publikum erziehen … Im Grunde ist das ein Sieg. Nehmt zweihundert groteske Gemälde fort, und unser Salon haut denen ihren zusammen. Wir haben den Mut und die Kühnheit, wir sind die Zukunft … Ja, ja, man wird’s später erleben, wir bringen denen ihren Salon um. Wir werden als Eroberer dort einziehen und uns mit Meisterwerken den Weg bahnen … Lach doch, lach doch, Paris, du großer Dämlack, bis du vor uns in die Knie sinkst!«
Er unterbrach sich und wies mit einer prophetischen Gebärde auf die triumphale Avenue, auf der der Luxus und die Freude der Stadt in der Sonne dahinrollten. Seine Gebärde wurde umfassender, wies hinab bis zum Place de la Concorde, den man unter den Bäumen gewahrte, mit einem seiner Brunnen, dessen Wasserflächen herabrieselten, einem fliehenden Ende seiner Balustraden und zwei seiner Städtestatuen68, Rouen mit den riesigen Brüsten, Lille, die ihren ungeheuer großen nackten Fuß vorstreckt.
»Das freie Licht, das macht ihnen Spaß!« fing er wieder an. »Sei’s drum! Da sie es nun mal so wollen, das freie Licht, die Freilichtschule! – He? Das gab es nur unter uns, das gab es gestern noch gar nicht, nur bei ein paar Malern. Und da bringen sie nun das Wort unter die Leute, sie, sie gründen diese Schule! Oh, mir soll’s recht sein. Meinetwegen die Freilichtschule!«
Jory schlug sich auf die Schenkel.
»Hab ich es dir nicht gesagt? Ich war sicher, mit meinen Artikeln würde ich diese Trottel zwingen anzubeißen! Denen werden wir jetzt ganz schön auf die Nerven fallen!«
Auch Mahoudeau brach in Siegesjubel aus und kam immer wieder auf seine Weinleserin zu sprechen, deren Kühnheiten er dem schweigenden Chaîne auseinandersetzte, der allein zuhörte, während Gagnière mit der Halsstarrigkeit eines auf die reine Theorie losgelassenen schüchternen Menschen davon sprach, den Mitgliedern des
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